Der Schriftsteller Kenneth Bonert wurde 1972 in Südafrika geboren, als Teenager wanderte er nach Kanada aus. Er lebt in Toronto. Und „Toronto“ ist auch der Titel seines Romans, der am 29. September 2021 im Diogenes Verlag in einer Übersetzung von Stefanie Schäfer erschienen ist.
Darin erzählt Kenneth Bonert in vier Geschichten vom Leben und der Liebe in der kanadischen Metropole Toronto. Seine Protagonisten sind „waschechte“ (also in Kanada geborene) und eingewanderte Menschen.
Da ist in der ersten Geschichte des Buches eine namenlose, zweimal geschiedene Endvierzigjährige, die nach dem Tod ihres ältesten Sohnes dessen Zimmer an einen jungen Künstler vermietet. Sie beginnt eine Affäre mit ihm. Als ihr neuer Mieter eine andere Freundin hat, kündigt sie ihm. Aber der junge Mann will die Wohnung nicht verlassen.
Oder Trevor (54), der sich nach einer tröstlich gemeinten Umarmung in seine Arbeitskollegin Ping verliebt. Die junge Taiwanerin verlässt die Firma. Trevor sucht nach „Berührung“ (so auch der Titel der Geschichte) in asiatischen Massagesalons. Dort lernt er u.a. die Ärztin Marta kennen, die aus Belarus stammt. Er schreibt seiner Frau Trudy einen Brief.
In „Das Paradies“ lernt eine Kanadierin einen „asiatisch“ aussehenden Mann kennen, der, obwohl er studierter Biologe ist, in einer Autowaschanlage jobbt. Sie ziehen zusammen und kaufen ein Haus. Das „Paradies“ liegt leider an einer sehr befahrenen Durchgangsstraße, und die Nachbarn sind nicht so nett, wie es scheint.
In der letzten Geschichte des Buches „Willkommen im Eishotel“ will Blake Morrow eine Internetfirma gründen, kommt aber nicht so richtig in die Gänge. Er verliebt sich in Dirty Cougar, eine schmutzige Frau mit „Messie-Gewohnheiten“. Sie haben geilen Sex. Irgendwann meldet sie sich nicht mehr bei ihm. Dann erkrankt seine Mutter Dorothy, die ursprünglich aus der Karibik stammt, an Krebs. Sein Vater Richard (Richie) hat eine Affäre. Und Blake erfährt, dass Dirty Cougar ihn auf sozialen Medien mobbt. Blake muss sein Leben neu sortieren.
Kenneth Bonert hat zwei Romane geschrieben, deren Handlungen in Südafrika spielen, wo er Kindheit und Jugend verbrachte. Nun befasst er sich in seinen Erzählungen mit Kanada, wohin er mit seinen Eltern eingewandert ist. So geht es darin um das Schicksal von Einwanderinnen und Einwandern, die auf Kanadierinnen und Kanadier treffen. Oder umgekehrt. Dabei zeigt sich das multikulturelle Kanada nicht immer von seiner besten Seite. In Toronto treffen Bonerts Figuren mit unterschiedlicher Herkunft und verschiedenen Alters aufeinander und ihre Begegnungen sind heftig. Allerdings überzeugen mich als Lesende die Geschichten nicht. Zu aufgesetzt wirkt die Einwanderungsthematik, zu konstruiert der Inhalt, zu banal die Vergleiche wie z.B. in der ersten Geschichte: „Die Katastrophe – dieses Geheimnis trug sie wie ein heimliches Giftschlamm-Reservoir in sich.“ (S. 30)
Bonert macht es sich mit der Charakterzeichnung seiner Figuren einfach: da ist die eine esoterisch und steckt Haare in Fläschchen um einen Bindungszauber zu aktivieren, oder da ist der andere, der im Rotlichtmilieu nach Nähe sucht. Das lässt kein Interesse und keine Sympathie für seine Protagonisten bei mir aufkommen. Und er übertreibt mit der Darstellung des kanadischen Traums von Frieden, Ordnung und Sauberkeit. Meinen Leseerwartungen wird dieser dozierende Stil nicht gerecht:
„Hier gab es Katzen mit fein gebürstetem Fell [..] während auf Schildern Parolen für einen fairen Mindestlohn, für die Aufnahme von Flüchtlingen und gegen die Durchführung von Ölpipeline-Projekten plädierten. Bei den Sachen zum Mitnehmen auf dem Bürgersteig, die die faltigen, chinesisch aussehenden Frauen und Männer in ihren klappernden Trolleys mitnahmen, in denen sie Pfandflaschen sammelten, bemerkte sie unter anderem dicke Stapel von Inneneinrichtungsmagazinen sowie schicke Kaffeekocher, die nicht mehr gebraucht wurden, alte Mikrowellen, Telefone, Drucker, Scanner und Fernseher.“ (S. 150)
Da wedelt mir der Autor zu offensichtlich mit dem erhobenen Zeigefinger. Doch womit will Kenneth Bonert mein Herz oder mindestens meinen Verstand erreichen? Mit diesen Geschichten jedenfalls nicht.
Kenneth Bonert: Toronto: Was uns durch die Nacht trägt.
Aus dem Englischen übersetzt von Stefanie Schäfer.
Diogenes, September 2021.
256 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.