Karine Giebel: Die Flügel, mein Engel, zerreiß ich dir

kariKarine Giebel, die als DIE weibliche Stimme des französischen Kriminalromans bezeichnet wird, hat in diesem psychologischen Spannungsroman beängstigende Charaktere mit atemlosen Thrill gekoppelt. In der Handlung wird eine attraktive junge Frau systematisch von einem mysteriösen Schatten, der sie verfolgt und nötigt, zugrunde gerichtet.

Cloé Beauchamp ist jung, schön, glücklich verliebt und erfolgreich. Durch Ausdauer und Ehrgeiz hat sie sich in ihrer Werbeagentur weit nach oben gearbeitet. Ihr Chef stellt ihr in Aussicht, in absehbarer Zeit seine Nachfolge anzutreten. – Ein beneidenswertes Leben sollte man meinen, doch der Schein trügt: Auf dem Nachhauseweg von einer Party fühlt Cloé sich plötzlich verfolgt und nimmt eine schemenhafte Gestalt wahr, die dann wieder im Nichts verschwindet.
Ab diesem Zeitpunkt fühlt Cloé sich immer häufiger von dem mysteriösen Schatten bedroht. Doch wer könnte ihr Böses wollen? Ihr gewalttätiger Ex-Mann, der im Gefängnis saß, hätte allen Grund dazu. Auch ihr Kollege Martins, ein weiterer Anwärter auf den Chefsessel, könnte es sein. Oder ist es ihr Geliebter Bertrand, der seltsamerweise nie bei ihr ist, wenn der Schatten auftaucht und zunehmend ungehaltener wird, sobald Cloé mit ihm über ihre Ängste reden will? Dazuhin genießt Bertrand es, Cloé immer gefügiger und abhängiger von sich zu machen.
Cloés Leben gerät von Tag zu Tag mehr aus den Fugen, ihre Verzweiflung über den Schatten, der immer weiter in ihre Privatsphäre eingreift, steigert sich ins Unermessliche. Niemand will ihr glauben, weil der Schatten nirgendwo Spuren hinterlässt. Kann sie sich alles wirklich nur einbilden? – Einzig Kommissar Alexandre Gomez scheint ihr Glauben zu schenken, was ihm selbst zum Verhängnis wird.

Karine Giebel beherrscht ihr Handwerk mit Finesse. Geschickt führt sie ihre Figuren mit stimmig ausgeklügelten Attributen ein, wodurch sie ihnen glaubhafte Charaktere verleiht. Jedes Detail, das sie in die Handlung aufnimmt, hat seine Bedeutung; nichts ist überflüssig. Am Ende sind alle Stränge miteinander in einem dichten Netz verwoben, die Kreise schließen sich, und selbst nachdem die Autorin den LeserInnen die Auflösung präsentiert, baut sie nochmals eine Aufdoppelung ein.

Fesselnder Thriller mit hohem Suspenselevel bis zum Ende.

Karine Giebel: Die Flügel, mein Engel, zerreiß ich dir.
Bloomsbury Berlin, September 2014.
480 Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.

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