Sarah Nelson wird zwölf Jahre alt und ist in ihrem Leben schon etliche Male umgezogen. Immer dann, wenn jemand herausfindet, wer sie wirklich ist. Denn Sarah ist die Tochter von Jane Nelson. Ebendiese Frau versuchte, ihre Zwillinge im Alter von zwei Jahren in der Küchenspüle zu ertränken. Der Fall ging um die Welt, Sarahs Bruder Simon verstarb, doch Sarah konnte gerettet werden. Seitdem lebt ihre Mutter in einer geschlossenen Anstalt und Sarah beim Vater. Mit zunehmendem Alter fragt sie sich immer mehr, ob etwas vom Verhalten ihrer Mutter auf sie abgefärbt hat. Sie sind doch blutsverwandt, also muss etwas von Jane Nelson auch in Sarah stecken, nicht wahr?
Karen Harrington ist ein ganz besonderer Jugendroman gelungen. Die Zielgruppe lässt sich dabei gar nicht so genau bestimmen. Vom Schreibstil her spricht der Roman Jugendliche ab zwölf Jahren an, doch zwischen Zeilen steht so viel mehr, dass auch erwachsene Leser und Leserinnen von dem kleinen Juwel bestens unterhalten werden.
Sarah ist eine tolle Protagonistin. Durch die vielen Umzüge – ihr Vater packt wirklich jedes Mal alles in Umzugskisten, wenn sie jemand erkannt hat – hat sie nur wenige echte Freunde, ihre engste Vertraute ist eine Zimmerpflanze. Sarah sammelt Worte und ihre Bedeutungen und spürt eine enge Verbindung zur Romanfigur Atticus Finch, dem sie diesen Sommer, angestoßen durch das Projekt ihres Lehrers, auch Briefe schreibt. Zu all diesen Dingen kommt in ihrem Alter natürlich auch noch die Pubertät und ein erstes Verliebtsein – als wäre der Rest nicht schon schwer genug!
Die Autorin führt feinfühlig und mit immer genau den richtigen Worten durch diese berührende Geschichte, so dass „Briefe an mein verrücktes Leben“ in Erinnerung bleibt. Hoffentlich wird die Autorin noch viele solcher Romane veröffentlichen. Ein echter Geheimtipp!
Karen Harrington: Briefe an mein verrücktes Leben.
Aus dem Englischen übersetzt von Catrin Frischer.
cbj, August 2021.
336 Seiten, Taschenbuch, 13,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.