Jim Butcher: Bluthunger: Die dunklen Fälle des Harry Dresden 06

Eigentlich hatte Harry Dresden, seines Zeichens Magier aus Chicago vor, es zukünftig ein wenig ruhiger angehen zu lassen. Nachdem er den Anschlägen des Roten, wie auch des Weißen Hofes der Vampire entkommen ist, die Apokalypse gerade noch einmal verhindert hat und dessen Herz von seiner Ex-Freundin gebrochen wurde, stand Konsolidierung der Kräfte wie auch der Finanzen an. So die Ausgangssituation in „Bluthunger“ von Jim Butcher.

Sein neuer Auftrag, das Auffinden gestohlener Hundewelpen, schien da genau das Richtige zu sein. Dass ihn dabei geflügelte Schimpansendämonen erwarten würden, die mit ihren brennbaren Fäkalien nach ihm werfen, hatte er eigentlich nicht einkalkuliert. Damit nicht genug, wird er auf seiner Flucht auch noch von Mitgliedern des Schwarzen Hofes angefallen.

Eine alte Bekannte, die Vampirin Mavra hat noch eine Rechnung mit unserem Magier offen, und will nun tabula rasa machen. Als er dann an das Filmset eines Pornostreifens gerufen wird, um die Darstellerinnen vor einem Entropiefluch zu schützen, weiß er, dass sein Leben einmal mehr eine unerwünscht interessante Wendung zu nehmen im Begriff ist. Da kommt es gut, dass er auf einen verschollenen Bruder trifft, auch wenn dessen Erzeuger alles tut, um Harrys Leben abzukürzen – aber das ist er ja schon gewohnt. Bitte in die Reihe anstellen, schließlich warten eine ganze Anzahl finsterer und überaus mächtiger Figuren darauf, unseren Harry ins Jenseits zu befördern – nur hat dies bis jetzt noch keiner geschafft … 

Chaotischer Magier

Jim Butchers Reihe um den chaotischen Magier Harry Dresden in einem Chicago unserer Zeit erweist sich einmal mehr als ein schenkelklopfendes Lesevergnügen. Voller Esprit und Tempo rast die Handlung von einem Cliffhanger zum Nächsten, verwöhnt uns der Autor einmal mehr mit einem Unikat von Helden, wie es in der phantastischen Literatur wohl einzigartig ist. Geschickt baut er hierbei den Hintergrund unseres Harrys immer weiter aus. Wir erfahren erstmals ein wenig mehr von seiner, bei der Geburt gestorbenen Mutter, die selbst eine mächtige Hexe war – und ein Familienangehöriger taucht plötzlich und unerwartet auf.

Dass unseren Einzelgänger, der chaotisch-introvertierte und dabei gleichzeitig einsame Harry zunächst zwiespältige Gefühle plagen, ist verständlich. Als Waisenkind ist er Kummer gewöhnt, hat mehr als genug Enttäuschungen erleben und verarbeiten müssen. Nun also soll er plötzlich einen Halbbruder haben, noch dazu ein Angehöriger des Weißen Hofes, einen Vampir soll er in sein Herz schließen?
So unnahbar und ruppig er sich nach außen auch immer gibt, wünscht Harry sich doch innerlich nichts mehr als Menschen, die sein Leben teilen, eine Familie, auf die er bauen kann. Doch kann er diesem Wesen, das kein Mensch ist, trauen – eine Frage, die ihn nachvollziehbar innerlich beschäftigt.

Sicherheit am Pornoset

Daneben muss er sich dann mit alten und neuen, natürlich tödlichen Feinden herumschlagen, errötet bis unter die Haarwurzeln, als er am Pornoset für Sicherheit sorgen soll, und findet sich nur zu oft am falschen Ende des Revolvers wieder. Statt die Situation souverän zu beherrschen, fühlt er die kalte Mündung der Knarre an seinem Genick, zieht aber mit Fortüne und Geschick seinen Hals ein ums andere Mal aus der Schlinge.
Immer differenzierter wird dabei das Bild, das der Autor uns von seinem Helden und dessen Helfern und Feinden offeriert. Auch wenn man das Buch ohne Vorkenntnisse der bislang erschienen Titel gut lesen kann, sind es doch die Feinheiten und Anspielungen auf bisherige Ereignisse, die dem Plot zusätzlichen Reiz vermitteln.

Trotteliger Charme

Natürlich wuchert Butcher auch dieses Mal wieder mit dem trotteligen Charme, den der Loser mit dem Herz auf dem rechten Fleck auf seine Rezipienten ausübt, pflegt seine Running Gags – etwa dem in einem Totenkopf eingeschlossenen sexhungrigen Geist – schafft es dabei aber erstaunlicherweise, sich nicht selbst zu plagiieren, und dem Leser immer wieder neue und unerwartete Wendungen und Entwicklungen zu präsentieren.

Jim Butcher: Bluthunger: Die dunklen Fälle des Harry Dresden 06
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Jürgen Langowski
Blanvalet, Mai 2023
507 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

Teilen Sie den Beitrag mit Ihren Freunden und Kontakten:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.