Der Schotte Ian Rankin (Jahrgang 1960) setzt seine erfolgreiche John-Rebus-Reihe weiter fort. Im Wilhelm Goldmann Verlag erschien am 14. Juni 2022 der nächste Band in einer Übersetzung von Conny Lösch.
Der Edinburgher Detective Inspector im Ruhestand lässt das Ermitteln auch in dem neuen Kriminalroman „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ nicht. Außerdem plagt er sich mit dem Umzug in eine neue Wohnung herum. Aufgrund seiner Lungenerkrankung siedelt er mit seinem Hund Brillo ins Erdgeschoss um. Siobhan Clarke nimmt sich eine Woche Urlaub, um ihm zu helfen. Dann geschehen zwei Dinge: Der Freund von John Rebus’ Tochter Samantha verschwindet, und der ausländische Student Salman bin Mahmoud, ein wohlhabender, junger Mann wird tot auf einem Parkplatz gefunden.
John Rebus fährt sofort in seinem alten Saab Richtung Norden los. Samantha, Keith und Tochter Carrie leben im schottischen Küstenort Naver. Keith Grant arbeitet an der Stilllegung eines nahegelegenen Atomkraftwerks und betätigt sich als Hobby-Historiker. Dabei hat es ihm die Geschichte eines ehemaligen Internierungslagers aus dem 2. Weltkrieg besonders angetan. Im Camp 1033 waren während des Krieges zunächst Ausländer, die im Vereinigten Königreich lebten, und dann deutsche Kriegsgefangene inhaftiert.
Währenddessen muss Siobhan Clarke auf Brillo aufpassen und sich wieder mit Malcolm Fox arrangieren, der zu dem Fall des getöteten Studenten hinzugezogen wird, da rassistische oder politische Motive nicht ausgeschlossen werden können. Und natürlich taucht irgendwann Big Ger Cafferty auf, der Fox für seine Zwecke einzuspannen versucht.
Rebus quartiert sich im örtlichen Pub von May Collins ein und nervt Robin Creasy, den Detective Sergeant aus Inverness, der mit den Ermittlungen betraut ist. Und er muss seine Tochter vor dem Verdacht schützen, dass sie etwas mit Keiths Verschwinden zu tun hat. Dabei stösst Rebus auf andere Verdächtige mit dunkler Vergangenheit.
Clarke und Fox hingegen recherchieren im Umfeld von Salman und nehmen vor allem Salmans Freunde Lady Isabella Meiklejohn und Giovanni Morelli unter die Lupe. Aber erst Überwachungsvideos mit einem Mietwagen bringen sie auf die richtige Spur.
Ian Rankin lässt seine Protagonisten in „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ an zwei Fällen arbeiten. Einen Teil der Spannung erzeugt er damit, dass die Lesenden sich fragen, wann denn diese beiden Fäden zusammen laufen werden. John Rebus, Malcolm Fox und Siobhan Clarke treffen bei ihren Ermittlungen auf höchst unterschiedliche Milieus. Während Rebus unter den Bewohnern einer Kleinstadt u.a. mit ehemaligen Kriegsgefangenen recherchiert, ziehen die Edinburgher Polizisten mit ihren Nachforschungen Kreise bis nach London und sorgen für Wirbel in Politik und (Geld-) Adel. Grundstücksspekulationen in der Nähe des Camps 1033 bilden einen roten Faden zwischen den zwei Erzählsträngen.
Ian Rankin liefert mit „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ einen soliden Kriminalroman. Die beiden Mordfälle sind weder blutrünstig noch allzu grausam, so dass ich als Lesende ausnahmsweise einmal nicht mit psychopathischen Serienkillern konfrontiert werde. Stattdessen konzentriert sich Rankin mit seinen Beschreibungen auf die Ermittlungsarbeit und auf seine bewährten Figuren. Er spinnt geschickte Beziehungsgeflechte unter den mutmaßlich Verdächtigen und lässt sich bei der Tätersuche Zeit. Und obwohl er John Rebus nun schon seit Ende der 1980er Jahre aktiv sein lässt, wird es nicht langweilig mit ihm.
Die Dialoge zwischen ihm und Siobhan Clarke gehören zu den erfrischenden Stellen des Buches:
„Clarke tippte auf eins der Bücher, das Rebus bereits ins Regal geräumt hatte. »Hätte dich nicht für einen Jack-Reacher-Fan gehalten.«
»Manchmal brauch ich auch eine Pause von der ganzen Philosophie und den alten Sprachen.«
Clarke betrachtete die Regale. »Willst du sie nicht alphabetisch ordnen?«
»Dafür ist mein Leben zu kurz.«
»Und die Platten?«
»Dafür auch.«
»Wie willst du dann jemals irgendwas wiederfinden?«
»Krieg ich schon hin.«“ (S. 11)
Selbst der alte Obergauner Cafferty gibt nicht auf und zieht seine kriminellen Strippen. Und Malcolm Fox bleibt korrekt. Rankin setzt auf die bewährten Figuren aus den vorangegangenen Kriminalromanen und gibt ihnen einen neuen Handlungsrahmen. Für meinen Geschmack hätten der Geschichte etwas mehr Spannung, Überraschung und auch Tempo gut getan, nichtsdestotrotz ist Ian Rankins „Ein Versprechen aus dunkler Zeit“ für Krimi-Fans eine gute Empfehlung. Für John-Rebus-Fans ist das Buch ohnehin ein Muss.
Ian Rankin: Ein Versprechen aus dunkler Zeit.
Aus dem Englischen übersetzt von Conny Lösch.
Goldmann, Juni 2022.
512 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.