Vor 100 Jahren ist Thomas Manns „Zauberberg“ erschienen, jener Monumentalroman, der in einem Lungensanatorium in der Schweizer Bergwelt spielt. Autor Heinz Strunk („Der Goldene Handschuh“, „Ein Sommer in Niendorf“) nimmt das zum Anlass, seine eigene Version der Geschichte zu schreiben.
Jonas Heidbrink, der unter Depressionen leidet, begibt sich in eine Heilanstalt für psychisch Kranke an der Ostsee. Wie beim legendären Hans Castorp aus dem Original dehnt sich sein Aufenthalt dort aus.
Strunk spielt gekonnt mit den Motiven aus dem Ur-Zauberberg. Ein Philosoph, der hier aber nur unzusammenhängende Weisheiten von sich gibt, kommt genauso vor wie das berühmte Türenschlagen im Speisesaal, das eine so große Wirkung auf Hans Castorp hat.
Dennoch bleibt der Roman Strunk-typisch durch und durch. Er ist bei aller Tragik der Handlung witzig und beweist die hervorragende Beobachtungsgabe und Menschenkenntnis des Autors. Herrlich, wie Strunk die Eigenarten der Patienten und Mitarbeiter des Sanatoriums schildert. Da gibt es die Dicken und Triefäugigen, die sich phlegmatisch durch eine Musiktherapie-Stunde quälen, oder Frauen, die in der Bibliotherapie permanent erschrocken schauen und sich an einer mit Tee gefüllten Glasflasche festhalten.
Strunk bringt im Buch auch zwei höchst originelle und unterhaltsame Kurzgeschichten unter – eine Patientin in einer der Therapien hat sie im Romankontext geschrieben: erstens über einen Mann, der nach und nach in der Besucherritze eines Bettes versinkt und über einen Unfall mit einer Zeitmaschine. Insgesamt ein sehr lesenswerter Roman.
Heinz Strunk: Zauberberg 2
Rowohlt, November 2024
288 S., gebundene Ausgabe, 25 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.