Heike Specht: Die Frauen der Familie Feuchtwanger

310 eng bedruckte Seiten geballtes Wissen und akribische Recherche über „Die Frauen der Familie Feuchtwanger“, rund 200 Jahre Geschichte der Familie hat Heike Specht in diesem umfangreichen Werk, das sie selbst „eine unerzählte Geschichte“ nennt, aufgearbeitet. Biografisch, aber keine Biografie. Wie gewohnt bestens recherchiert, historisch fundiert und dennoch flüssig zu lesen. Die Faszination für die Familie, von der den meistens wahrscheinlich spontan nur der Name „Lion Feuchtwanger“ etwas sagt, spürt man in jedem Kapitel. Die fundierten Kenntnisse entstammen nicht zuletzt der Tatsache, dass Leben und Wirken von vier Generationen dieser deutsch-jüdischen Familie – wie die Autorin sie beschreibt: ein bisschen bayerische Buddenbrooks, ein bisschen Löwengrube, ein bisschen Shitsel – Thema ihrer Dissertation gewesen sind. Das besondere Augenmerk liegt hier allerdings auf den Frauen, die die Familie über Generationen hinweg geprägt und zusammengehalten haben. Mit Frömmigkeit und Geschäftssinn, Pioniergeist und Wagemut.

Im 19. und 20. Jahrhundert erlebte die Familie Feuchtwanger einen sagenhaften Aufstieg, wirtschaftlich wie gesellschaftlich, von der Fürther Provinz ins Großbürgertum der Residenzstadt München. Eine Entwicklung, die ohne die starken Frauen der Familie nicht denkbar gewesen wäre. Heike Specht unterteilt ihre Erzählung denn auch in vier Kapitel, erzählt wird aus der Perspektive der Frauen in der jeweiligen geschichtlichen Epoche: Zunächst die Matriarchinnen, dann die Hausherrinnen, die Pionierinnen und die Heldinnen.

Das Buch beginnt an drei Orten gleichzeitig, in Los Angeles, Jerusalem und Berlin. In den frühen 1940er Jahren, also mitten im Krieg. Hier lernen wir auch die drei Frauen kennen, die uns durch die gesamte Erzählung begleiten werden: Felice Schragenheim, die unter falschem Namen und voller Angst vor Entdeckung in Berlin lebt, Rahel Strauss in Palästina, die schon früh Deutschland verlassen hat und Marta Feuchtwanger, die mit ihrem Mann Lion Deutschland verlassen hat, um in den USA ein neues Leben aufzubauen. Marta Feuchtwanger dürfte uns am ehesten bekannt sein.

Sie war es, die ihren Mann Lion, der zunächst u.a. als Journalist gearbeitet hatte, ermunterte, Romane zu schreiben. Sie war seine strengste Kritikerin, später auch Kuratorin seines Werkes. Heike Specht gelingt es, diesen vielleicht manchmal eher trockenen Geschichtsstoff in eine durchaus lebendige Erzählung zu packen, immer wieder kleine Anekdoten und Episoden beleuchten das Leben von zahlreichen Frauen während der vier Generationen, um die es hier geht, die ihren Platz im Leben beansprucht und verteidigt haben, ihren Männern den Rücken stärkten oder sie geschickt zu leiten wussten in rund 200 Jahren historischer Wirren und Kriege. Nicht zu Unrecht ist hier die Rede von starken Frauen, von Pionierinnen und Heldinnen.

Bestens recherchiert und historisch fundiert. Nicht zuletzt belegt durch 20 Seiten Auswahlbibliographien, Anmerkungen zu jedem der vier großen Kapitel und einem alphabetischen Register.

Heike Specht: Die Frauen der Familie Feuchtwanger: eine unerzählte Geschichte
Piper, Mai 2024
Hardcover, 336 Seiten, 24,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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