Der US-amerikanische Schriftsteller Richard Russo (Jahrgang 1949) wurde 2002 für seinen Roman „Diese gottverdammten Träume“ mit dem Pulitzerpreis geehrt. Er schreibt über die Menschen in den Kleinstädten der Vereinigten Staaten von Amerika. Am 15. Mai 2024 veröffentlichte der DuMont Buchverlag den dritten Teil einer Trilogie, die mit „Nobody’s Fool“ (Deutscher Titel: „Ein grundzufriedener Mann) 1993 begann und mit dem Roman „Ein Mann der Tat“ (Originaltitel: „Everybody’s Fool“) 2016 fortgesetzt wurde. „Somebody’s Fool“ heißt bei DuMont „Von guten Eltern“ und wurde von Monika Köpfer aus dem Englischen übersetzt.
North Bath, Upstate New York
Das ist der fiktive Schauplatz des neuen Romans von Richard Russo. North Bath ist in die Nachbarstadt Schuyler Springs eingemeindet worden. Und damit verliert Polizeichef Douglas Raymer seinen Job. Stattdessen wird seine (Ex-) Freundin und Polizeikollegin Charice Bond die erste schwarze Polizeichefin von Schuyler Springs. Und auch andere Bewohnerinnen und Bewohner von ehemals North Bath müssen sich den Veränderungen stellen. Der Sohn des verstorbenen Donald „Sully“ Sullivan, Peter, renoviert „Miss Beryls Haus“, das er von seinem Vater geerbt hat. Der Collegedozent und Herausgeber von „Schuyler County Arts“ bemüht sich, sich um die Leute zu kümmern, die auf der Liste stehen, die ihm Sully hinterlassen hat. Dazu gehören neben Sullys altem Kumpel Rub Squeers, der Peter beim Renovieren hilft, auch Sullys Geliebte Ruth vom Hattie’s und deren Tochter Janey mit Tina, die inzwischen den Gebrauchtwarenhandel ihres Großvaters Zack führt.
Dann wird im ehemaligen Hotel „Sans Souci“ eine Leiche gefunden. Und Charice bittet Raymer um Unterstützung bei den Ermittlungen, aber auch bei der Betreuung ihres Bruders Jerome, der ebenfalls Polizist ist. Jerome Bond war der Geliebte von Raymers verstorbener Frau Becka und hat seit deren Tod psychische Probleme.
Bei Peter taucht urplötzlich einer seiner beiden Söhne auf, die bei seiner Ex-Frau Charlotte aufgewachsen sind. Thomas ist nicht gut auf seinen Vater und seinen Bruder Will, der nach der Trennung bei Peter leben durfte, zu sprechen.
So sind die Menschen in North Bath mit ihren Sorgen, Nöten und Problemen beschäftigt und Douglas Raymer muss endlich herausfinden, was er in seinem Leben will und wer die „verdammte“ Leiche im Sans Souci ist.
Figuren wie gute Freunde oder alte Bekannte
Richard Russo wartet in „Von guten Eltern“ mit seinem bewährten North Bath-Personal auf. Als Lesende ist man sofort mit den ersten Seiten des Romans wieder im Kosmos dieser Kleinstadt. Die Figuren kommen wie gute Freunde oder alte Bekannte daher, deren Geschichten in diesem Roman weiter erzählt werden, als hätte man sich noch gestern in North Bath auf der Upper Main Street oder im „Horse“ getroffen. Neben seinem Hauptthema Familie integriert Russo gesellschaftspolitische Themen wie Rassismus, Polizei- und häusliche Gewalt und den Niedergang der Gemeinden in der US-amerikanischen Provinz mit zunehmender Radikalisierung ihrer Bewohner. Das alles packt er in knapp 600 Buchseiten, von denen sich keine Seite langweilig oder langatmig liest. Und das alles spielt sich an nur drei Tagen (Samstag bis Montag) im Leben der Menschen von North Bath ab. Richard Russo ist ein begnadeter Erzähler und ein Spezialist für wirklichkeitsgetreue und humorvolle Dialoge, wie z.B. die Kneipengespräche der Figuren oder die Selbstgespräche, die Raymer ständig mit sich führt.
In seinem Roman „Von guten Eltern“ erschafft er eine komplette nordamerikanische Kleinstadtwelt mit dem komplexen Beziehungsgeflecht der Menschen, die dort leben. Das ist spannend, berührend und sehr, sehr warmherzig geschrieben. Empfehlenswert!
Richard Russo: Von guten Eltern.
Aus dem Englischen von Monika Köpfer.
DuMont Buchverlag,15. Mai 2024.
576 Seiten, Gebunden, 28,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Sürder.