Johann lebt so sehr auf dem Dorf, dass sein Zustellbezirk als Postbote 7 Dörfer umfasst. Johann ist siebzehn Jahre alt und weiß genau, was es bedeutet, wenn er einen „schwarzen“ Brief zustellen muss. Er kennt die Menschen in seinem Bezirk und sie kennen ihn. Er weiß, wer sehnsüchtig auf Post aus dem Felde wartet, denn wir schreiben das Jahr 1944. Johann ist nur deswegen Briefträger, weil er bereits in der Armee war und dort eine Hand verloren hat.
Nach langer Pause gibt es wieder ein Buch von Gudrun Pausewang. Ihre Bücher sind nie einfach, weil sie sich brutalen Themen annimmt und obwohl sie Jugendbücher schreibt, nichts beschönigt oder verschleiert. Weder „Die Kinder von Schevenborn“ noch „Die Wolke“ waren „schöne“ Bücher, darin sind furchtbare Dinge geschehen und die Autorin hat stets der Versuchung widerstanden, etwas Schreckliches schönzureden, nur weil sie für Jugendliche schreibt. Diesmal hat sie sich dem Thema „Krieg“ angenommen und es könnte jeder Krieg sein. Es ist zwar deutlich, dass es sich um den Zweiten Weltkrieg handelt, aber es gelingt ihr, die Geschehnisse so einzubetten, dass jedem klar ist, dass es die Angst und die Wut und die Trauer so in jedem Krieg geben wird. Deswegen ist „Der einarmige Briefträger“ nicht einfach ein weiteres Buch über Deutschland unter dem Nationalsozialismus, sondern es ist ein wichtiges Buch über den Frieden.
Die inzwischen fast neunzigjährige Autorin beschreibt, was sie selbst erlebt hat. Deswegen ist es ein Buch über den zweiten Weltkrieg und nicht, wie es sich vielleicht angeboten hätte, über einen der aktuellen Kriege. Das macht das Buch aber auch so stark. Man merkt, dass dort eigene Erfahrungen eingeflossen sind. 1944 war Gudrun Pausewang 16 Jahre alt, sie hat also die letzten Kriegsmonate bewusst erlebt und selbst erfahren, wie die Leute voller Hoffnung und gleichzeitig voller Angst auf Post warteten.
Als Warnung sei noch angemerkt, dass sie auch hier wenig Rücksicht auf die Jugendlichkeit der Leser nimmt. Das Buch endet mit einem Knalleffekt, mit dem man ganz junge oder sehr sensible Leser nicht unbedingt allein lassen sollte. Es macht das Buch zwar eindrücklicher, führt aber vermutlich auch zu Diskussionsbedarf.
Gudrun Pausewang: Der einhändige Briefträger.
Ravensburger Buchverlag, April 2015.
192 Seiten, Gebundene Ausgabe, 14,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.