Die 14-jährige Carey und ihre acht Jahre jüngere Schwester Jenessa wurden vor vielen Jahren von ihrer Mutter im Wald versteckt, um sie vor dem gewalttätigen Vater zu schützen. Seither leben sie mit der Mutter in einem Wohnwagen mitten im Nirgendwo. Immer wieder verschwindet die Mutter für Wochen und eigentlich hat Carey ihre Schwester großgezogen. Da steht plötzlich eine Frau vom Jugendamt mit einem Mann vor dem Wagen, den Carey nur zu gut kennt. Ihr Vater. Er erzählt eine hanebüchene Geschichte von Kindesentführung und jahrelanger Suche nach seiner Tochter. Obwohl Carey ihm nicht glaubt, bleibt den Geschwistern nur eine Chance. Sie müssen zu Careys Vater ziehen, denn die Mutter ist verschollen.
Carey erinnert sich vage an die moderne Welt, ihre Schwester Jenessa hingegen hat so etwas wie Fernsehen und Spülmaschine noch nie gesehen und ist fasziniert. Aber immer noch stumm. Seit einem Ereignis in den Wäldern spricht sie kein Wort mehr, flüstert nur noch manchmal mit ihrer Schwester. Und doch werden die beiden Sonderlinge herzlich in der Familie Beskin aufgenommen. Die besteht allerdings nicht nur aus Careys Vater, sondern auch aus dessen neuer Frau Melissa und ihrer 15-jährigen Tochter Delaney. Und die wittert Krieg und Konkurrenz. Sie tut alles dagegen, dass Carey sich wohlfühlt.
Die Autorin hatte eine tolle Grundidee, aus der man sogar noch viel mehr hätte machen können. Im Rahmen eines Jugendromans ab 14 Jahren allerdings ist es ihr gut gelungen, ihre Idee zu Papier zu bringen. Die Geschichte ist gradlinig erzählt, wird nie langweilig, sondern eher fesselnd. Alle Aspekte werden beleuchtet und besonders interessant ist Careys Ringen um ein Vaterbild. Sie schafft es einfach nicht, das Bild, welches ihre Mutter heraufbeschworen hat, mit der Realität in Einklang zu bringen. Kann es sein, dass dieser nette, fürsorgliche Mann wirklich Carey und ihre Mutter geschlagen hat? Wie konnte er sich ändern und wer gibt Carey die Garantie dafür, dass es nicht wieder passieren wird? Dass er ihre kleine Schwester Jenessa, nicht seine leibliche Tochter, nicht auch schlagen würde? Viele Kapitel über nennt sie ihren Vater schlichtweg „der Mann“, was ihre Distanz nicht nur in Handlungen, sondern auch in Worten zeigt.
In diesem Roman steckt noch so viel mehr, was Erwähnenswert wäre. Es gelingt Emily Murdoch hervorragend, die Gedankenwelt des jungen Mädchens zu ergründen und alles zur rechten Zeit zu offenbaren. Ein sehr lesenswerter, wunderschöner Roman, der auch Erwachsenen ans Herz gelegt sei!
Emily Murdoch: Wenn ihr uns findet.
Heyne, März 2014.
304 Seiten, Taschenbuch, 15,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.