Barbara Newhall Follett: Die Welt ohne Fenster (1927)

„Dies ist eine Geschichte. […] Ein Rätsel, eine Fantasie“ und „Sie beginnt vor über einem Jahrhundert in einem kleinen Haus in […] New Hamshire“ (S. 15) Sie handelt von dem wilden Mädchen Eepersip. Eines Tages stellt sie fest, dass sie nicht mehr mit Menschen zusammenleben möchte. Sie erträgt weder die Enge eines Hauses noch sonst irgendwelche Zwänge. Nur in der unberührten Natur kann sie leben und glücklich sein. Ihre Liebe zu den Pflanzen und Tieren, dem Sonnen- und Mondlicht, dem Wind, dem Bach, dem Meer und den Bergen wächst mit jedem Tag, den sie in völliger Abgeschiedenheit leben darf. Es ist eine Welt ohne Fenster, voller Glück und Zufriedenheit.

Diese poetische Geschichte ist so ungewöhnlich, als wäre sie nicht von dieser Welt. Wer tagtäglich mit offenen Augen seine Umgebung betrachtet, die Folgen der Industrialisierung riecht und spürt, dürfte von der Lektüre über die Liebe zur Natur mit seiner absoluten Konsequenz überrascht und angerührt werden.

Ein wildes, ungezähmtes Mädchen legt alles ab, was sie an Zivilisation erinnert und streift durch die Weiten eines Landes, das noch nicht mit Straßen, Parkplätzen und Häusern zubetoniert ist. Die Natur wird ihre Lehrerin, Freundin und Ernährerin. So ähnlich mag die Autorin Barbara Newhall Follett empfunden haben, die 1914 geboren wurde und mit zwölf Jahren als amerikanisches Wunderkind berühmt wurde. Sie lebte zeitweise selbst das Leben eines wilden, ungezähmten Mädchens, verließ häufig für eine Weile ihre Eltern, um in der Natur glücklich zu sein. Weiterlesen

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Mary Shelley: Der letzte Mensch (1826)

Wir schreiben das Jahr 2089. In Europa wütet eine besonders ansteckende Form der Pest. Jeder der erkrankt, ist dem Tod geweiht. Nein, ich habe mich nicht verschrieben und ich habe mir das auch nicht ausgedacht, weil es gerade so schön passt. Das war Mary Shelley, bekannt vor allem durch „Frankenstein oder Der moderne Prometheus“, welche im Jahre 1826 den Roman „Der letzte Mensch“, die erste Dystopie der Weltliteratur, veröffentlichte. Seit Februar 2021 liegt nun die erste vollständige deutsche Übersetzung vor.

Die Geschichte spielt gegen Ende des 21. Jahrhunderts. Der letzte englische König hat sein Amt niedergelegt, England ist eine Republik. Der Ich-Erzähler Lionel Verney, Sohn eines verarmten Adligen, wächst gemeinsam mit seiner Schwester Perdita als verachteter Waisenjunge auf. Als er beim Wildern auf Adrian, den Sohn des Königs trifft, nimmt dieser ihn freundlich auf und es entsteht eine tiefe Freundschaft zwischen den Geschwistern, Adrian und dessen Schwester Idris. Bald kommt Lord Raymond als Fünfter im Bunde dazu. Er heiratet Perdita und auch Lionel und Idris werden ein Paar. Die jungen Leute verbringen glückliche Tage auf Schloss Windsor, sie beschäftigen sich mit Literatur und Philosophie und engagieren sich politisch, angetrieben von dem Wunsch, das Leben aller besser zu machen. Weiterlesen

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Vicki Baum: Hotel Berlin (1944)

Vicki Baums „Hotel Berlin“, erschienen 1944, ist der etwas weniger bekannte Roman der Autorin, verglichen mit „Menschen im Hotel“.

In der 2021 erschienenen Neuauflage von „Hotel Berlin“ findet sich Vicki Baums Vorwort von 1946. Hier erzählt die Autorin etwas über ihre Art zu schreiben und den Hintergrund des Romans: Jeder Schriftsteller trage „eine kleine Welt, in der Landschaften, Städte, Gärten, Häuser, Zimmer mit Wesen seiner eigenen Fantasie bevölkert sind“ in sich.  Dies trifft auf beide Hotel-Romane zu, es begegnen einander an symbolträchtigem Ort alle möglichen Menschen, ihre Beziehung zueinander ist mal flüchtig, mal intensiv, und keiner verlässt das Hotel als derjenige, der er einmal gewesen ist.

„Hotel Berlin ist spannend erzählt, auf altmodische Weise herrlich kitschig und für heutige Leser auf beklemmende Weise „wahrhaftig“, kennt man doch den Ausgang des Krieges und die Menschen im Hotel Berlin scheinen vertraut: Martin Richter, Student und Widerstandskämpfer, liebt die Dinge, die Deutschland verloren hat, will einfach die letzten Tage des Krieges überleben und wird von der berühmten Schauspielerin Lisa Dorn vor der Gestapo im Hotel versteckt. Nicht nur er verliebt sich in Lisa, auch General von Dahnwitz liebt sie, und um diese Dreiecks-Beziehung und den Versuch, Martin die Flucht zu ermöglichen, entspinnt sich die Handlung. Weiterlesen

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Willem Elsschot: Maria in der Hafenkneipe (1946)

Der unter dem Pseudonym Willem Elsschot Schreibende zählt zu den wichtigsten Autoren Belgiens und der Niederlande. Er lebte in Antwerpen und begann schon sehr früh Gedichte in Zeitungen zu veröffentlichen.

Unter dem Geburtsnamen Alfons De Ridder (1882-1960) arbeitete er in Paris, Rotterdam und Brüssel. In Antwerpen gründete er eine Werbeagentur und lebte dort mit seiner Frau und sechs Kindern.

In der flämischen Literatur gelten seine elf Romane als Klassiker und wurden mit vielen Preisen bedacht. Sein Leitthema sind die Träume der kleinen Leute, mit denen sie ihrem nicht immer angenehmen Alltag zu entfliehen versuchen.

Die noch immer aktuelle Erzählung, übersetzt von Gerd Busse, begleitet einen Mann in den fünfziger Jahren, ebenfalls Vater von sechs Kindern und verheiratet, durch eine regenreiche, kalte Nacht. Eigentlich wollte er wegen des unangenehmen Wetters nach Hause, um sich am warmen Ofen hinter seiner Zeitung zu verkriechen und zu schweigen. Denn mit Zeitung lässt es sich in einer Großfamilie viel besser schweigen als ohne. Er hatte sich vorgenommen, mit seiner gewohnheitsmäßig späten Heimkehr aufzuhören. Doch dann wird er von drei Afghanen in Festtagskleidung höflich angesprochen. Die drei jüngeren Männer erklären, sie haben auf ihrem Schiff eine schöne und liebenswürdige Segelflickerin kennengelernt und sich mit ihr an einem bestimmten Ort verabredet. Der Erzähler legt das in seiner Hafenstadt übliche ablehnende Verhalten ab und hilft ihnen bei der Suche. Auf diese Weise lernt er die drei Fremden nicht nur schätzen, sondern sie finden in ihren Gesprächen neben dem Trennenden auch Gemeinsamkeiten. Weiterlesen

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Robert Bloch: Psycho (1959)

Jeder kennt „Alfred Hitchcocks PSYCHO“ – den Film. Jeder Film hat ein Drehbuch, viele Drehbücher basieren auf einem Roman.  Sie haben Robert Blochs „Psycho“, erschienen 1959, noch nicht gelesen? Holen Sie es nach!

Der Thriller steigt direkt ein mit einer unheimlichen, verregneten Nacht: Norman Bates, ein verklemmter, unattraktiver Mann, leitet zusammen mit seiner Mutter ein abgelegenes Motel. Als sich durch lautes Klopfen scheinbar ein Gast ankündigt, erschreckt ihn das eher, als dass es ihn freut.

Kurz erhalten wir einen Einblick in sein absurdes Leben: Die allmächtige Mutter, das altmodische Haus, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und in dem Norman versucht, durch Bücher wie „Das Reich der Inka“ und psychologische Abhandlungen den Bezug zur Welt da draußen nicht zu verlieren. Er wehrt sich vergeblich gegen das Urteil seiner Mutter, die Bücher seien böse und schmutzig: „Psychologie ist nicht schmutzig, Mutter!“

Ohne es zu ahnen, wird bald die Angestellte Mary den Weg zu Normans Motel finden. Sie hat 40.00 Dollar gestohlen und ist auf dem Weg zu ihrem Liebhaber, um mit ihm ein neues Leben zu beginnen. Weiterlesen

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Agatha Christie: Mord mit verteilten Rollen (1954)

Als Hercule Poirot von seiner alten Bekannten, der Kriminalautorin Ariadne Oliver, dazu aufgefordert wird, sofort zu ihr zu kommen, rechnet er zunächst mit einem Notfall, zumal Mrs. Oliver sehr geheimnisvoll tut. Bei ihr angekommen, muss er jedoch feststellen, dass seine Anwesenheit nichts mit einem Mord oder dergleichen zu tun hat. Mrs. Oliver organisiert gerade eine Mörderjagd als Attraktion für das Gartenfest auf einem großen Landsitz. Als echter Detektiv soll Poirot am Ende des Festes die Preise verteilen.

Zunächst ist Poirot alles andere als begeistert von der Rolle, die er spielen soll, dann weiht Mrs. Oliver ihn jedoch in den wahren Grund für seine Anwesenheit ein: Ohne bestimmte Beweise zu haben, hat sie das Gefühlt, dass irgendetwas mit den Leuten nicht stimmt, für die sie diese Mörderjagd inszeniert. Ihr ist aufgefallen, dass es immer wieder dazu kommt, dass sie von verschiedenen Leuten in eine ganz bestimmte Richtung gedrängt wird, was die Planung ihrer Mörderjagd angeht. Das ist ihr nicht geheuer und sie bittet Poirot um seinen sachlichen Blick auf die ganze Situation.

Mit dem Tag des Festes wird das geplante Spiel zu bitterem Ernst. Das Mädchen, das die Leiche spielen sollte, wird wirklich tot aufgefunden, genauso ermordet wie es in der Mörderjagd vorgesehen war. Jeder der über hundert Gäste wird zum Verdächtigen. Zum Glück ist Hercule Poirot zur Stelle, um Licht in die verworrenen Zusammenhänge des Mordes zu bringen. Weiterlesen

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Laurie Lee: Cider mit Rosie (1959)

Der Roman „Cider mit Rosie“ von Laurie Lee stammt ursprünglich aus dem Jahr 1959. Im Jahr 2020 wurde der Text in der Übersetzung von Pociao und Walter Hartmann neu vom Unionsverlag herausgegeben. Das Taschenbuch enthält 13 Aquarelle von Laura Stoddart, die wundervoll die romantische Ausrichtung des Buches unterstreichen.

„Ich war drei Jahre alt, als man mich vom Wagen des Fuhrmanns herunterhob auf den Boden, und mein Leben auf dem Dorf begann mit Schrecken und Verwirrung.“ So beginnt die autobiografisch gefärbte Erzählung aus dem Blickwinkel eben jenes dreijährigen Laurie Lees. Der Leser begleitet den Protagonisten bis zum Jugendlichen. Bis zum titelgebenden Cider mit Rosie.

Die Erzählung spielt nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Die Familie zieht ins ländliche England und lebt hier in einem „Haus mit Garten […] am abfallenden Ufer eines Sees […] in einem dreistöckigem Haus mit Keller und einem eingemauertem Schatz.“ Weiterlesen

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Vernon Lee: Unsere Liebe Frau der Sieben Dolche (1927)

Der Originaltext zu „The Virgin of the Seven Daggers“ erschien 1927 in London. Autorin war Violet Paget, die sich in Anlehnung an den Namen ihres Halbbruders Vernon Lee nannte.

Das Werk wie die Autorin eckten im prüden England jener Zeit an. Violet Paget war zudem eine Frau, die entschieden für Pazifismus und Feminismus eintrat.

Zentrales Thema der Erzählung ist die Konkurrenz zwischen der Muttergottes und den Herzensdamen eines Adligen, eines Lebemannes. Zu der damaligen Zeit ein unerhörter Gedanke, zugleich ketzerisch wie empörend.

Die Erzählung spielt in der Domstadt Granada in Spanien. Die beginnt mit einer bildhaften Beschreibung der titelgebenden Kirche Unserer Lieben Frau von den Sieben Dolchen. Protagonist ist Don Juan Guzmán del Pulgar, Graf von Miramor. Der Bezug zu Don Juan ist hier im Namen überdeutlich verankert. Weiterlesen

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Barbara Pym: In feiner Gesellschaft (1961)

Eskapismus der schönsten britischen Art: Pyms Roman ist nicht nur bestens dafür geeignet, dem Corona- und Winterblues zu entfliehen. Auch Pyms Protagonisten verstehen es vortrefflich, sich von ihren Problemen auf ebenso elegante wie amüsante Art abzulenken. Die einen engagieren sich in der Gemeinde, die anderen flüchten ans Meer, die dritten stecken ihre Nase in Dinge, die sie nichts angehen. Zu letzteren gehört Protagonistin Dulcie Mainwaring. Als unverheiratete Frau Anfang Dreißig im London der 1950er Jahre scheint ihr ein Schicksal als „alte Jungfer“ so gut wie sicher. Daher beschäftigt sie sich lieber mit den Fehltritten und Familienskandalen ihrer Bekannten. Merke: Die Liebesprobleme anderer Leute sind das beste Mittel, um sich nicht mit den eigenen auseinanderzusetzen zu müssen!

Die herzensgute, stets auf Harmonie bedachte Dulcie Mainwaring liebt Kostüme in gedeckten Braun- und Grautönen und ist eher unauffälliger Natur. Sie lebt alleine im viel zu großen Haus ihrer verstorbenen Eltern in einem ländlichen Vorort Londons. Ihr Auskommen verdient sie mit der Recherche für Register sowie dem Redigieren wissenschaftlicher Fachliteratur. Von ihrem Verlobten Maurice wurde sie verlassen. Was also tun mit der vielen freien Zeit, um nicht in Grübeleien zu verfallen? Lösung: Man besuche einen Fachkongress der Verlagsbranche! Eine ideale Gelegenheit, um interessante Menschen kennen zu lernen. Dulcie hat Glück: Sie lernt gleich zwei davon kennen. Zum einen ihre Zimmernachbarin Viola, eine exzentrische, chaotische Person. Zum anderen den Redner Aylwin Forbes, ebenso attraktiv wie intelligent. Dulcie ist augenblicklich von ihm fasziniert. Noch dazu stellt sich heraus, dass Viola mit Aylwin zusammengearbeitet und dabei die Grenzen der Geschäftsbeziehung überschritten hat, obwohl Aylwin verheiratet ist. Nun ist es um Dulcie geschehen: Sie beginnt Nachforschungen über den Verleger anzustellen, die nahezu unter den Bereich „Stalking“ fallen. Zumal sein Umfeld ihr ebenso interessant erscheint: Da sind seine viel zu junge Ehefrau Marjorie sowie Aylwins ebenso ansehnlicher Bruder Neville, ein Priester, der vor einem verliebten Gemeindemitglied auf der Flucht ist. Weiterlesen

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Anthony Powell: Die Philosophen des Krieges (1968)

1941 begegnet Nicholas Jenkins seinem alten Schulkameraden Widmerpool in einer dienstübergreifenden geheimen Besprechung und ist verwundert. Denn vor kurzen geriet dieser in der Hierarchie der Armee in Misskredit. Dieses déjà vu ähnelt früheren Erlebnissen, als der Jugendliche Widmerpool ausgegrenzt, belächelt oder direkt angegangen wurde. Dank eines Zufalls sitzt er nun an einer Schlüsselstelle innerhalb der Verwaltung. Und dies nur, weil Nicholas alter Schulfreund, Peter Templer, nicht den 16-Stunden-Job leisten und die langen Sitzungen protokollieren will. Erst als es zum Eingreifen zu spät ist, begreifen Nicholas und Peter, dass Widmerpool durch seine Position entscheiden kann, wie der Zweite Weltkrieg verlaufen soll. Doch was nützt ihm der ungewohnte Einfluss, wenn er in den Kreisen von Templer und anderen aus der Oberschicht weder erwünscht noch aufgenommen wird?

Zur gleichen Zeit begegnet Jenkins der attraktiven Pamela Flittons, die als Fahrerin ihren Dienst leistet. Dunkel erinnert er sich daran, dass es sich bei der jungen Frau um die Nichte eines weiteren alten Freundes handelt. Auch Pamela befindet sich in einem Krieg. Sie hat es auf die Männer abgesehen, die sich in sie verlieben, bis ihre vermeintlich neue Liebe für das Ende ihrer Karriere verantwortlich ist, darunter befinden sich auch Nicholas Freunde und Bekannte. Weiterlesen

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