Vor zweihundert Jahren begann es – bis dahin hatte das Licht der Türme die Dunkelheit, die Furcht und die Schatten zurückgehalten. Dann entschied der örtliche Baron, dass es Zeit sei, seinen Machtbereich auszudehnen und ließ die Türme des Lichts schließen, die Lichter löschen. Seitdem ist das Entzünden von Feuer nächtens streng verboten, in den umliegenden Dörfern werden nachts Türen und Fester fest verbarrikadiert, die alten, schutzgebenden Lieder sind verpönt. Doch eines Nachts regen sich die Schatten. Aus der Dunkelheit formen sie sich, greifen mit ihren hell glühenden Schwertern an, brechen in die Hütten eines Dorfes und schlachten die Menschen hin. Verletzen kann man sie mit normalen Waffen nicht. Nur zwei Bewohnern gelingt die Flucht.
Das Mädchen reitet, schwer von den Waffen der Schatten verbrannt, zum Baron, diesem von dem Angriff und der Heimsuchung zu berichten, der andere, ihr Bruder eilt, tödlich verwundet, in den Wald. Hier, in einer aufgegebenen Poststation leben Weyd, der Wanderer und seine Freunde. Der begnadete Kämpfer, die Bardin Caer und ihre Freunde sind die Einzigen, die die Schatten aufhalten könnten – wenn der Baron es ihnen denn erlauben würde …
C. E. Bernard, die, im Ruhrgebiet geboren und in Bonn lehrend, ihre Romane in Englisch verfasst, ist uns durch ihre vierteilige Urban-Romantasy der Palace-Saga (dt. Penhaligon) ein Begriff. Mit vorliegendem Band beginnt sie ihre Wayfarer-Trilogie und wandelt auf etwas anderen Wegen. Den Leser erwartet ein High Fantasy Plot, der uns zunächst recht düster, ja bedrückend entgegenkommt. Schatten, denen außer das verbotene Licht oder ein vergessenes Lied nichts etwas anhaben kann regen sich, greifen Menschen an und schlachten sie nieder.
Nach und nach enthüllt uns die Autorin ein paar wenige Hintergründe, stellt uns ihre interessant gezeichneten Figuren vor und schafft das Gerüst, auf dem ihre Saga ruht. Eine unausgesprochene Liebe wird angedeutet, Konflikte aufgebaut, ein Antagonist installiert. Bernard lässt sich dabei Zeit. Sie zeichnet ihre Figuren als heimgesuchte Menschen, die ihr Päckchen zu tragen haben – und, und dies ist ungewöhnlich, sie präsentiert uns einmal keinen jugendlich starken Recken und Erlöser sondern Protagonisten, die zwar noch nicht alt, aber auch nicht mehr jung, ihre Erfahrungen gemacht, von ihren Wehwehchen geplagt, nicht unbedingt dem üblichen Heldenbild entsprechen. Gut so, das sind interessante Charaktere, über die ich gerne mehr erfahre. Menschen, die leiden, die geprägt sind von dem, das ihnen widerfahren ist, die ihre Schwächen haben, aber auch wissen, dass und wie sie dem Bösen entgegentreten müssen.
Die Autorin und der Verlag haben sich große Mühe gegeben, das Buch aus dem monatlichen Allerlei der Publikationen hervorzuheben. Das wunderbar stimmige Titelbild in Metallic-Look mit geprägtem Titel, dazu digitale Sonderinhalte und Bonusmaterial, die über den AR Player goutiert werden können – so etwas habe ich zumindest bislang noch nicht angeboten bekommen.
Das Besondere spiegelt sich denn auch in der von der Verfasserin verwandten Sprache wieder. Stilistisch versucht Bernard uns in einem manches Mal märchenhaften Tonfall und auch optisch abgesetzten Einschüben die besondere Stimmung im Buch zu vermitteln. Das ist nicht immer ganz einfach, bereichert die Lektüre aber ungemein.
So liegt ein gelungener, weil anderer, atmosphärisch dichter Auftakt einer High-Fantasy Trilogie vor mir, ein Band, der mich angefixt hat, weiter zu lesen mich zu fragen, wie es wohl weitergehen wird.
C. E. Bernard: Die Wayfarer-Saga 01: Das Lied der Nacht.
Penhaligon, März 2021.
416 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.