»Die Weiße Rose« ist ein Stück Land in Mexiko, das einem Indianer gehört. Er lebt dort die Tradition seiner Ahnen vor, in dem er »sein Land« mit anderen Indianern teilt. Alle besitzen wenig. Zufrieden leben sie ihr kleines Leben. Es gbit keinen Hunger und keine Furcht. Jeder von ihnen beackert für seine Familie eigene Felder und zugleich arbeiten die Bewohner für das Wohl der Gemeinschaft.
Auf den benachbarten Haciendas schuften die Mexikaner für einen Chef, der nur nach dem Gesetz der Gewinnmaximierung handelt. Ein großer Teil Mexikos wurde bereits von amerikanischen Ölgesellschaften aufgekauft. Besonders die Condor Oil Company mit dem Präsidenten Collin an der Spitze befindet sich in einem Kaufrausch. »Die Weiße Rose« ist die letzte Parzelle eines Gebietes, die der Condor Oil Company noch nicht gehört. Geologen vermuten im Boden reiche Ölreserven. Als der »uneinsichtige« Indianer nicht verkaufen will, lernt Collin seine Grenzen kennen. Dieses Manko muss er um jeden Preis ändern.
B. Traven erzählt seine eigene Version der Geschichte von David und Goliath, die sich im Mexico der 1920er Jahre ereignet. In dieser Zeit wanderte er nach Mexico aus und erhielt die Staatsbürgerschaft. 1969 verstarb Traven und hinterließ eine Witwe, die ein wenig über die geheim gehaltene Biografie des Verstorbenen verriet. Bis dahin versteckte sich Traven hinter unterschiedlichen Decknamen.
Angeblich wurde er im Februar 1882 als Otto Feige geboren und lebte ohne offizielle Eltern bei seinem Großvater in Schwiebus, ein Ort der heute zu Polen gehört. Um 1900 soll er zu seinen Eltern und jüngeren Geschwistern gezogen sein. Danach hatte er verschiedene Existenzen aufgebaut: Schlosser, Kohlentrimmer, Soldat, Gewerkschaftssekretär, Schauspieler, Publizist, Schriftsteller und vielleicht noch einiges mehr. Seine Lebenserfahrung dürfte umfangreich und voller Erlebnisse gewesen sein.
Travens kluger Roman »Die weiße Rose« liest sich wie ein Handbuch, das die Mechanismen des Kapitalismus und der freien Marktwirtschaft erschreckend deutlich erklärt. Dies macht die Lektüre fesselnd, lehrreich und aktuell.
Am Ende bleibt eine Frage im Kopf hängen: Könnte der Kampf zwischen David und Goliath eine gigantische Lüge von gewieften Werbefachleuten sein? Schließlich beruhigt die Nachricht vom siegreichen David alle braven Bürger, die an Gerechtigkeit glauben wollen. Vielleicht hat irgendwann jeder Mensch die Chance, ein David zu werden, wenn er sich plötzlich und unerwartet zwischen den Fronten wiederfindet. Auf der einen Seite droht Vernichtung, während auf der anderen das Versprechen auf eine Hoffnung glimmt, die bekanntlich zuletzt stirbt.
B. Traven: Die weiße Rose (1929).
Diogenes, 1983.
233 Seiten, Taschenbuch, 12,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.