Julja Linhof: Krummes Holz

Inzwischen ist Georg volljährig und verlässt das Internat, das die letzten fünf Jahre sein Zuhause war. Es war eine Zeit der Abstinenz von seinem Vater Georg, seiner Schwester Malene, der Großmutter Agnes und von Leander, dem Sohn des Hofverwalters. Georgs Ziel ist der elterliche Hof. Er trägt den Namen Krummes Holz und steht unter anderem für den nicht so ertragreichen Boden.

Schon vor Monaten hat Malene ihn gebeten, zurückzukommen, weil sie seine Hilfe braucht. Und kaum ist er angekommen, prallen Fremdheit und Vertrautes aufeinander. Der abgewirtschaftete Betrieb, die Abwesenheit des Vaters und eine demente Großmutter passen nicht zu einer Heimkehr, die ein Willkommen widerspiegeln sollte. Ohne darauf vorbereitet zu sein, spürt Georg die Narben auf seiner Seele. Sie wollen aufbrechen, während er krampfhaft versucht, sie mit Macht zusammenhalten.

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Jan Schomburg: Die Möglichkeit eines Wunders

München, Fin de Siècle:  Kultur und Wissenschaft sind im Umbruch. Von moderner Kunst bis zur Eroberung des Luftraumes schwankt die Gesellschaft zwischen Ratio und Aberglaube. In einer sich immer schneller entwickelnden Welt sucht die vermögende Oberschicht Zuflucht im Okkultismus. Geister, Ektoplasma, schwebende Gegenstände …  dank moderner Gerätschaften kann man vieles davon nun „nachweisen“, aber genauso gut fälschen.

Mitten im Geschehen befindet sich der später titulierte „Geisterbaron“ Albert von Schrenk-Notzing, der sich zeitlebens über diesen Spitznamen geärgert hat. Schließlich will der therapeutische Hypnotiseur, Arzt und Forscher übersinnliche Phänomene rein wissenschaftlich ergründen. Ihn interessiert die Kraft des Geistes und der Seele (dank Sigmund Freud zusehends in Mode kommend!). Kann der Mensch durch bloße Willenskraft Dinge in Bewegung setzen? Ist er fähig, Visionen oder Geister zu empfangen, wenn sein „Ich“ mittels Hypnose außer Kraft gesetzt wurde?

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George Saunders: Tag der Befreiung

Der US-Amerikaner George Saunders (Jahrgang 1958) erhielt 2017 für seinen Debütroman „Lincoln im Bardo“ den Man Booker Prize. Auch sein letztes Buch „Bei Regen im Teich schwimmen“ aus dem Jahr 2022 über die Geschichten russischer Schriftsteller wurde ein Bestseller. Am 13. März 2024 erschienen nun im Luchterhand Literaturverlag neun neue Stories von Saunders unter dem Titel „Tag der Befreiung“. Frank Heibert übersetzte sie aus dem amerikanischen Englisch.

Befreiung ist nicht gleich Freiheit

Die titelgebende Geschichte „Tag der Befreiung“ ist die längste und auch verstörendste Story in diesem Buch. Saunders erzählt von Menschen, die ihrer Identität beraubt wurden, künstlich mit Wissen versorgt werden und zum „Künden“ an Wänden fixiert werden. Wenn sie sprechen, ohne dass es ihnen erlaubt ist, riskieren sie eine Strafe.

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Mary Beth Keane: Sieben Tage einer Ehe

Szenen einer Ehe: Emotionaler, aber etwas zäh erzählter Roman

Ein Ehepaar mit unerfülltem Kinderwunsch ist das Zentrale in diesem ruhig und einfühlsam geschriebenen Roman. Sprachlich reicht er an die früheren Werke der Autorin heran, dabei ist er jedoch irgendwie ein wenig leblos.

Malcolm, Barkeeper und damit in seinem Traumberuf tätig, hat sich vor einer Weile seinen größten Wunsch erfüllt und eine Bar als Eigentümer übernommen. Jess, überbeschäftigte Anwältin, wartet hingegen seit Jahren auf die Erfüllung ihres größten Wunsches, ein Kind.

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David James Poissant: Sommerhaus am See

Wer auf psychologisch glaubhafte und gut durchdachte Familiendramen steht – so wie sie etwa Jonathan Franzen oder Richard Ford bis zur Perfektion beherrschen -, der sollte sich einen neuen Namen auf seine Leseliste nehmen: David James Poissant. Der Amerikaner seziert in seinem Debütroman „Sommerhaus am See“ sechs Menschen, die ein gemeinsames Wochenende in einem Ferienhaus verbringen.

Da gibt‘s etwa den aggressiven Säufer, der sich seine Sucht nicht eingestehen will, den homosexuellen Drogenabhängigen, der die häufigen Seitensprünge seines Partners nicht verkraftet, oder die Schwangere, die ihr Kind behalten will, obwohl sie mit ihrem Partner vereinbart hat, kinderlos zu bleiben.

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Cleo Konrad: Tödlicher Podcast

Nina ist Putzkraft. Aber eine ganz besondere. Sie sucht sich ihre Kunden aus und ist für sie alle mehr als nur die Putzfrau. Sie ist Seelentrösterin, Helferin in der Not und vieles mehr. Dabei hört sie den Podcast „Verbrechen Berlin“ von Malu. Eines Tages sucht diese eine Putzkraft und Nina bewirbt sich. Sie wird genommen und ist überglücklich. Aber bei Malu ist nicht alles so, wie es zu sein scheint und die beiden Frauen haben mehr gemeinsam, als der Leser sich am Anfang vorstellen kann. Weiter möchte ich den Inhalt nicht spoilern.

Das Buch beginnt mit der Transkription zu einer Podcast-Folge, dann stellt Nina sich vor. Alleinerziehende Mutter einer fast erwachsenen Tochter, sie spricht in der Ich-Form und wie wir am Ende wissen, ist sie zwar gesprächig, erzählt aber nur das, was sie will.

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Eva Reichl: Lügendorf

Nach „Todesdorf“ und „Rachedorf“ liegt nun mit „Lügendorf“ der dritte Band der Thriller-Serie rund um die Protagonistin Diana Heller vor. Diese kehrt zurück in ihr Heimatdorf. Sie kauft und renoviert ein altes Haus. Bei einem Spaziergang entlang des Dorfbaches machen spielende Kinder sie auf menschliche Knochen aufmerksam. Es stellt sich heraus, dass es sich dabei um die sterblichen Überreste von Stefanie Sipenthaler handelt, die vor vierzehn Jahren verschwunden ist.

Steffi hat der Clique rund um Diana angehört. Jemand hat ihr den Kopf eingeschlagen. Nora, damals Steffis beste Freundin und jetzt Dianas beste Freundin, gerät ins Fadenkreuz der Ermittler. Die Handlung entwickelt sich in endlosen Dialogen. Was ist vor vierzehn Jahren passiert? Wer hat was gemacht, gesehen oder verabsäumt? Mit einem Mal gibt jemand Diana KO-Tropfen in ihre offen daheim herumstehende Weinflasche und sie wacht im Wald auf. Natürlich kann sie sich an nichts erinnern.

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Mathijs Deen: Der Retter

Mit „Der Retter“ legt Mathijs Deen, den dritten Fall für den kauzigen Kommissar Liewe Cupido vor.  Mathijs Deen, 1962 in Hengelo geboren, studierte Niederländisch in Groningen und arbeitete anschließend als Journalist bei Radio Noord.  Er veröffentlichte Sammlungen seiner Radiokolumnen, Kurzgeschichten und Romane.  Sein Kommissar Liewe Cupido ist gebürtiger Deutscher, aber auf Texel aufgewachsen.

Zunächst will der Holländer, so wird der Kommissar in Kollegenkreisen genannt, den Fall nicht übernehmen. Was war geschehen? Bei einem Spaziergang an der englischen Küste Northumberlands stoßen niederländische Urlauber auf die Überreste einer Leiche. Eine alte Schwimmweste deutet auf eine Verbindung zu einem 21 Jahre zuvor geschehenen Unglück hin.

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Julie Heiland: Schicksalsjahre: Die Frauen vom Neumarkt  

Zwei Frauen, zwei spannende Zeitpunkte in der jüngeren Geschichte, erzählt in zwei Zeitebenen. Ein gut geschriebener, emotionaler Roman, der zwei wichtige Abschnitte der jüngeren deutschen Geschichte durch die Geschichte dreier Frauen verbindet. Lotte, Hannah und später auch Marlene.
Erzählt wird in parallelen Strängen, zunächst nur aus der Sicht von Hannah und Lotte, später – allerdings erst gegen Ende des Romans– auch aus der Sicht von Marlene, Hannahs Mutter.

Hannah, eine junge Archäologin, arbeitet Anfang der 1990-er Jahre mit am Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche. Dabei findet sie ein Foto, auf dem eine junge Frau und ein junger Mann zu sehen sind, die sich anscheinend recht nahestehen. Das Foto ist für Hannah fast wie ein Schock. Die junge Frau hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit ihrer Mutter. Könnte es ihre Großmutter sein, von der sie nichts weiß und zu der sie nie Kontakt hatte, weil ihre Mutter jede Verbindung schon vor Jahren gekappt hat? Das lässt Hannah nicht mehr los, sie beginnt nachzuforschen, wer die Frau auf dem Foto ist und wo sie jetzt wohl lebt. Und falls es wirklich ihre Großmutter ist, will sie endlich auch erfahren, warum sie keinen Kontakt zu ihrer Tochter und Enkelin hat.

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Nico Semsrott: Brüssel sehen und sterben

Rechtzeitig vor der Wahl im Juni 2024 erscheinen Nico Semsrotts Einblicke in die Machenschaften im Europäischen Parlament, dessen Verwaltungsapparat 8000 Menschen umfasst. Semsrott selbst ist „aus Versehen“ im EU-Parlament gelandet, wie er berichtet. Zusammen mit Martin Sonneborn wurde er von beinahe 900000 Personen für „Die Partei“ gewählt. Er betrachtete sein Antreten für die Satirepartei als Freiheit zum Experiment. Seit 2019 gehört Semsrott nun dem Europaparlament an und übt dort mit über 700 weiteren Abgeordneten den „merkwürdigsten Job der Welt“ in seinem Medien-bekannten Outfit, dem Kapuzenpullover, aus. Die Einblicke, die uns der Satiriker und Komiker gewährt, wären ganz lustig, wenn sie nicht tatsächlich wahr wären. Es geht nicht nur um unsinnige Steuerverschwendungen. Die Verstrickungen der Parlamentarier, die sich ihre Regeln selbst entwickeln, lassen nicht nur an der Ernsthaftigkeit dieser Institution zweifeln, sie sind auch schwer zu ertragen. Und das ist noch gelinde ausgedrückt. „Ertragen können muss man in diesem Beruf Dummheit, Ignoranz, Langeweile, Geld- und Lebenszeitverschwendung und krasse Ungerechtigkeiten.“ (S. 17)

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