Als ihre Mutter verstirbt, ziehen die 15-jährige Sam und ihre 10-jährige Schwester Ollie zum Vater. Doch Bear, wie er nur genannt wird, ist ein Freigeist. Er lebt auf einer gepachteten Wiese in einem Tipi und kümmert sich um seine Bienenvölker. Sam beschließt, dass dies der Sommer ihres Lebens werden könnte, denn schon immer hat sie die Ferien in seiner Obhut genossen. Sie interessiert sich für das Handwerk rund um die Bienen und genießt die Freiheit. Nicht einmal die Tatsache, dass Ollie seit dem Tod der Mutter nicht mehr spricht, kann diese Freude trüben. Doch dann finden die Mädchen beim Spielen die Leiche einer Frau und erdrückende Beweisstücke tauchen in Bears Besitz auf. Was ist wirklich geschehen und hat Bear die Frau kaltblütig ermordet? Sam macht sich mit Ollie im Schlepptau auf die Suche nach Beweisen.
„Das Schweigen der Bienen“ ist vom ersten Moment an ein genialer Roman. Abwechselnd wird aus Sams und Ollies Perspektive berichtet. Beide haben eine sehr unterschiedliche Beziehung zum Vater, die zwar von Liebe geprägt ist, aber auch mehr und mehr von Misstrauen durchflutet wird. Sam möchte ihrem Vater nacheifern, hat aber niemals vergessen, wie er vor Jahren die Familie plötzlich und ohne ein Wort verließ. Seit seiner Rückkehr besucht Sam ihn vor allem in den Sommerferien regelmäßig. Ollie kennt ihn kaum. Sie war für die Sommer im Tipi immer zu klein und als er noch bei der Familie lebte noch ein Baby. Sie ist offener für das Misstrauen, welches durch die gefundenen Beweisstücke entsteht. Da sie allerdings nicht mehr redet, kann sie diese Gefühle nur schwer ihrer Schwester zeigen. Seit dem Tod der Mutter kann sie Geister wahrnehmen. Sie sieht sowohl ihre tote Mutter als auch die ermordete Frau. Das klingt jetzt etwas schräg, ist aber sehr sensibel umgesetzt.
Generell ist der Roman bedrückend und geht durch die beiden lebendig gezeichneten Protagonisten schnell nahe. „Das Schweigen der Bienen“ ist kein Kriminalroman, sondern befasst sich vor allem mit der Beziehung zwischen Kindern und ihren Eltern, denn auch die verstorbene Mutter findet im Geschehen ihren wichtigen Platz. Es sind die Zwischentöne auf die es ankommt, denn Gearys Roman ist ein ruhiges Werk, das aber trotzdem keine Längen hat! Lediglich das Ende wirkt dann etwas zu gewollt und passt nicht recht zum Rest. Sieht man darüber allerdings hinweg, ist „Das Schweigen der Bienen“ ein absolut empfehlenswerter Roman, der noch sehr lange nachklingt!
Valerie Geary: Das Schweigen der Bienen.
HarperCollins, Dezember 2015.
304 Seiten, Taschenbuch, 16,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.