Uwe Timm: Alle meine Geister

Der 1940 geborene deutsche Erfolgsautor Uwe Timm erinnert sich in seinem neuen Werk „Alle meine Geister“ an seine Zeit als Kürschner-Lehrling in den 50er-Jahren. Im Alter von 14 Jahren wird er von seinem Vater, ebenfalls Kürschner, in eine solche Lehre geschickt.

Fortan dreht sich das Leben des Jungen um Felle, Schnittmuster und das Miteinander mit den so unterschiedlichen Kollegen. Von dem einen erhält er Literaturempfehlungen, von dem anderen hört er Geschichten über die körperliche Liebe, und ein dritter bringt ihm die Politik näher.

Insofern ist „Alle meine Geister“ ein Coming-of-Age-Roman. Er zeigt die Entwicklung des schüchternen Lehrlings hin zu einem literarisch und politisch interessierten Menschen, der schließlich das Handwerk an den Nagel hängt, sein Abitur nachmacht und studiert.

Außerdem atmet diese Autobiografie jede Menge 50er- und 60er-Jahre-Zeitgeist. Man wird an die großen Modegeschäfte mit ihren Pelzmänteln in den Schaufenstern genauso erinnert wie an eine gewisse Zurückgenommenheit, die dieser Zeit in der alten Bundesrepublik sicherlich anhaftete. Auch der Protagonist selbst ist nicht eben ein Draufgänger. Stellenweise – speziell wenn es um Frauenbekanntschaften geht – ist der Text eine Chronik der verpassten Chancen.

Was fehlt, ist womöglich mehr Innensicht des jungen Uwe Timm. Was denkt er eigentlich genau über diese oder jene Situation? Obwohl das gesamte Buch von ihm handelt, bleibt sein Wesen nebulös, man lernt ihn nie ganz kennen.

Mitunter übertreibt es der Autor mit der Detailverliebtheit – etwa wenn es um Eigenheiten aus seinem Beruf geht oder die Bücher, die er gerade liest. Mutmaßlich niemand, der sich für dieses Buch interessiert, möchte seitenlang über „Brehms Tierleben“ informiert werden. Solche Passagen bremsen die Lektüre aus, nehmen dem Text den Drive.

Uwe Timm: Alle meine Geister
Kiwi, September 2023
288 Seiten, gebundene Ausgabe, 25 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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