Thilo Corzilius: Diebe der Nacht

Die Bretter, die die Welt bedeuten sind auch der umherziehenden Schauspieler-Truppe, die sich selbst die „Herbstgänger“ nennt eine willkommene, vertraute Bühne. Wo auch immer sie gastieren, führen sie Theaterstücke auf, verzaubern ihr Publikum durch mitreißende Darbietungen und, ja auch durch große Kunst. Daneben und unbemerkt von allen, bis auf ihr jeweiligen Opfer haben sie sich auf Trickbetrug spezialisiert. Da wird reichen Adeligen schon einmal ein heruntergekommenes Theater angedreht, da werden Despoten geschröpft und eingebildete Fatzke der Lächerlichkeit preisgegeben. Im Sommer zieht die Theatertruppe in die malerisch gelegene Lagunenstadt Mosmerano. Dank ausgefeilter Mechanik ist die Bühne und sind die Zuschauerreihen in Minutenschnelle aufgebaut, der Coup kann beginnen. Eigentlich wollen sie nur dem Herrscher ein gefälschtes Bild für dessen Sammlung andrehen. Doch dann trifft ihr Anführer auf einen verflossenen Liebhaber, verliert dabei, wie ein weiterer der Truppe sein Leben und die Dinge beginnen so richtig interessant zu werden.

Es geht um Überbleibsel einer ausgestorbenen Rasse. Die Schöpfungen sind voller Leben und Magie – aber auch gefährlich, kann man sie doch als desaströse Waffen einsetzen.   Um einen verheerenden Krieg zu vermeiden, um die Pläne despotischer Menschen zu vereiteln muss der junge Dieb und Mechanist Glin, der die Führung der Truppe übernommen hat, über sich selbst hinauswachsen – in seinem größten Coup .

Thilo Corzilius hat sich in den letzten Jahren etwas rar gemacht. Nach seinem überzeugenden Debut und einem zweiten Roman bei Piper blieben weitere Romane aus seiner Feder zunächst aus. Nun also legt Klett-Cotta sein neues Werk in gediegener Hardcover-Ausstattung vor. Und, um dies vorweg zu nehmen, es ist ein spannendes, ein faszinierendes, ein wenig Anderes Buch geworden, als man es sonst offeriert bekommt. Sofern sie den Spielfilm „Der Clou“ mögen, Spaß an den „Oceans“ Filmen oder Hochstabler Felix Krull hatten, dann könnte das Buch genau das Richtige für Sie sein.

Corzilius präsentiert uns liebevoll gezeichnete Filous. Nüchtern betrachtet sind dies Verbrecher, Betrüger eben, die allerdings nach Möglichkeit nur die Schröpfen, die es auch verdient haben. Nach und nach erfahren wir in Einschüben, wie der Leiter der Bühne seine Darsteller gefunden und rekrutiert hat, was sie an besonderen Fähigkeiten mitbringen und welche Geheimnisse sie mit sich herumtragen.

Daneben erschließt sich uns eine phantastische Welt. Natürlich ist die Lagunenstadt, in der die Haupthandlung angesiedelt ist, vom Venedig der Dogen geprägt, dann aber kommt das Besondere, das Magische in den Plot. Überbleibsel einer vernichteten Rasse, deren Wissen um die Geheimnisse der Mechanik und der Beseelung von Maschinen unerreicht blieb. Das ist kein Steampunk und doch nutzt er Elemente aus diesem, das ist Magie also Fantasy und doch baut es auf mechanisch gefertigten Werkzeugen auf – das ist vor allem ungewöhnlich und neu.

Anhand zweier dem Buch beigegebener Karten kann der Leser den Weg der Truppe nachverfolgen, kann mitfiebern, ob und wie sie ihren Kopf immer wieder aus der Schlinge ziehen. Die Zusammenstellung der Truppe, ihr gekonntes Interagieren aber auch die Gewitztheit und Frechheit mit der sie manches Mal vorgehen macht uns die Figuren sympathisch.

Sprachlich zeigt der Autor, dass er nichts verlernt hat. Stilistisch auf erfreulich hohem Niveau fasziniert er uns mit seinen Figuren, Einfällen und Gefahren und macht die Lektüre zum Selbstläufer.

Thilo Corzilius: Diebe der Nacht.
Klett-Cotta, September 2020.
480 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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