Sophie Hénaff: Kommando Abstellgleis

Ein Mordsspaß mitten in Paris: Anne Capestan ist eine talentierte Polizistin, die leider einen Haken hat: Sie ist äußerst hitzköpfig! Leicht erregbar, gerechtigkeitsfanatisch und schießwütig, hat sie sich bei ihrem letzten Einsatz ein paar Kugeln zu viel erlaubt. Folglich wird sie zur Leitung einer neuen Brigade abkommandiert, welche sich als ein Sammelsurium von Polizeikollegen herausstellt, mit denen keiner zusammenarbeiten will. Da ist zum Beispiel José Torrez, dessen vier letzte Partner bei Einsätzen entweder schwer verletzt oder getötet wurden. Seitdem umweht ihn die Aura des Todesengels, der nur Unglück bringt. Da sind der homosexuelle Lebreton, der Säufer Merlot (Name verpflichtet!) und der etwas debile Hacker Dax, der sich bei Boxkämpfen ein paar graue Zellen gequetscht hat. Die mondäne Eva Rosière hat nicht nur Allüren, sondern durch ihre Tätigkeit als Drehbuchautorin einer Krimiserie etliche Kollegen vor einem Millionenpublikum bloßgestellt. Die schüchterne Polizistin Evrard ist der Glücksspielsucht erlegen, während der PS-verrückte Lewitz in drei Monaten drei Dienstwagen zu Schrott gefahren hat. Zusätzlich wird die Brigade von Rosières Schoßhündchen Pilote abgerundet.

Sie alle sollen nun ungelöste Fälle bearbeiten, die seit Jahren in Aktenschränken verstauben. Meist ungeklärte Diebstähle und andere Bagatellen. Doch dazwischen tauchen zwei ungeklärte Mordfälle auf, die über zwanzig Jahre zurückliegen. Eine alte Frau wurde in ihrer Wohnung erdrosselt, aber dabei würdevoll zurechtgerückt. Ein ehemaliger Schiffsoffizier wurde tot aus der Seine gefischt, seine Witwe glaubt allerdings nicht an Selbstmord. Die Brigade macht sich an die Aufklärung der Fälle. Weil sie weder Mittel, noch Informationen, noch sonstige Unterstützung seitens der „richtigen“ Kollegen erhalten, sind sie auf sich allein gestellt. Doch sie geben nicht auf. Da Not erfinderisch macht, bedienen sie sich äußerst unorthodoxer Methoden. Babyartikel werden zweckentfremdet, Sitzstreiks vorgetäuscht und Straßenreinigungsmaschinen zur Verfolgungsjagd herangezogen!

Besonders die liebevoll gestalteten Figuren machen beim Lesen Laune! Jede/r der Ausgemusterten hat eigene Macken, aber auch besondere Fähigkeiten zu bieten. Es ist schön, dass sich die Autorin Zeit nimmt, die Charaktere detailliert zu zeichnen. Die Figuren finden nicht nur während der Handlung zueinander, sie wachsen auch uns Lesern ans Herz. Und sie entwickeln während der Handlung ganz neue Qualitäten. Es scheint, dass die Truppe mit Vorsatz zusammengestellt wurde und dabei einen ganz bestimmten Zweck verfolgen soll…

Die Ebene mit den Kriminalgeschichten wird teils in Rückblenden erzählt, so dass bei allem Spaß auch das Rätseln sowie der Suspense-Faktor nicht zu kurz kommen. Offenbar schaffen die Franzosen es nicht nur, federleicht beschwingte Komödien rund um Themen wie Behinderung, Rassismus und Patchworkfamilien umzusetzen. Auch das Krimigenre kriegt hier einen charmant-amüsanten Anstrich verpasst. Das Format hat das Zeug zu mehr – dieses wird auch umgesetzt. Der Folgeroman „Das Revier der schrägen Vögel“ erscheint im Frühjahr 2019 beim Penguin Verlag.

Fazit: Das Kommando Abstellgleis gleicht einem Kind, bei dem fälschlicherweise ADS diagnostiziert wurde, das sich aber nach weiteren Untersuchungen als hochbegabt herausstellt. Ein Mordsspaß mit Charakteren, die man einfach lieben muss, von den Zwei- zu den Vierbeinern. Herrlich schräg, herrlich französisch und einfach gut!

Sophie Hénaff: Ein Fall für Kommissarin Capestan 01: Kommando Abstellgleis.
Penguin Verlag, Mai 2018.
352 Seiten, Taschenbuch, 10,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Diana Wieser.

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