Jetzt ist sie auch literarisch angekommen. Die Generation, bzw. die Kinder und Enkel der Menschen, die aus welchen Gründen auch immer, aber eben immer aus höchster Not und Lebensgefahr, aus ihren jeweiligen Heimaten fliehen mussten. Jetzt sind sie unter uns und mischen mit. Und womit? Mit Recht. Sie erzählen uns, nach und nach auch in Prosa, die Geschichten der Fluchten, der Toten und der Vertriebenen. Wie nach dem Krieg die Gruppe 47 versuchte, langsam dem Nazi Grauen mit ihren Millionen von Toten literarisch ein Bild zu geben. („An diesem Dienstag“, Wolfgang Borchert z.B.) So ist es auch heute. Sie verschaffen sich ein Gehör über Sprache und Bild. Ein Beispiel ist Shida Bazyar. Ihr gelingt ein Überblick über vier Jahrzehnte 1979 – 2009 und vier Generationen von iranischem politischem und religiösem Wirrwarr. Sie gibt dem Ganzen eine Geschichte, indem sie bei ihrer Familie bleibt. Bei Ihrem Vater Behsad, der nach dem Sturz des Schahs 1979 voller Hoffnung als junger Kommunist im Iran von gerechter Zukunft träumte und der doch fliehen musste. Dies ist das Lied aus 1979.
Das Nächste singt seine Frau Nahid schon in Deutschland, vollkommen verunsichert und Kultur geschockt. 1989 übernimmt die gemeinsame Tochter Laleh, schon integriert und selbstbewusst aber noch von einer Ahnung des persischen Lebens in sich. Zuletzt erzählt Mo aus dem Jahr 2009. Schon komplett assimiliert, mehr oder weniger studierend, im Angesicht der Vielfältigkeit der Dinge, sowohl politisch als auch im normalen Leben, ziemlich desorientiert, aber eben nicht unsympathisch, denn irgendwie ist er einer von uns. Es ist die Zeit der grünen Revolution in Teheran und Mos und Lalehs Eltern, machen sich bereit in den Iran zurückzukehren. Zuletzt kommt noch Tochter Tara zu Wort, die kleine hübsche Nachzüglerin, die wohl Karriere als Fotografin in den Krisengebieten der Welt gemacht hat. Wir sind im Heute angekommen. Shida Bazyar erzählt sicher auch von sich, wo speziell, ist egal – es ist ein Roman, aber deshalb ist er nicht weniger wahr. Sehr interessantes Buch.
Shida Bazyar: Nachts ist es leise in Teheran.
KiWi, September 2017.
288 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.