England im Jahre 1956. Der Zweite Weltkrieg ist so ganz anders ausgefallen, als wir uns erinnern. Es heißt jetzt Zone 7 und ist vom Mutterland abhängig. Der 15-jährige Standish Treatwell lebt in Zone 7, im Bereich der Unreinen, es ist ihm bislang gelungen, unauffällig zu bleiben, denn er hat zwei verschiedenfarbige Augen und hält sich selbst für ausgesprochen dumm. Das muss er vor seiner perfektionistischen Umwelt verbergen. Denn Standish lebt in einem totalitären Regime, dessen Parallelen zu den Nazis nicht zu überhören sind. Gemeinsam mit seinem Freund Hector träumt er von einem Flug zu dem fiktiven besseren Planeten Juniper.
Währenddessen plant das Mutterland den ersten eigenen Mondflug und dessen propagandistische Ausschlachtung. Ein für sich genommen harmloser Vorfall sorgt dafür, dass Hector von den Ledermänteln abgeholt wird. Von dort, wo er hingeht, ist noch niemand zurückgekehrt. Aber Standish ist noch nicht besiegt, noch nicht bereit, alles einfach hinzunehmen.
In einfacher, dafür aber umso eindringlicher, Sprache schildert das Hörbuch eine düstere Welt aus der Sicht eines Jugendlichen. Standish versteht mehr von dieser Welt, als er selbst zu wissen scheint. Und er ist stärker als alle glauben. Andreas Steinhövel verleiht dem Ich-Erzähler ein Leben, das den Zuhörer bis zum Ende nicht mehr loslässt. Rätselhaft geblieben ist mir allerdings, warum die Autorin einen so deutlichen Nazi-Vergleich nicht deutlich ausspricht. Stattdessen handelt es sich um eine rein fiktive Welt mit „Ledermänteln“, „Unreinen“ und „Mutterland“. Natürlich gibt es literarische Gründe, so etwas zu tun, aber hier hat es mich gestört, vielleicht weil die Autorin gar keine eigenen Einflüsse in ihre Welt eingebracht hat.
Viel Mut hat sie dagegen am Ende bewiesen, das eine deutliche Botschaft enthält: „Die Wahrheit ist alles wert“. Obwohl „Zerbrochener Mond“ eine Dystopie ist, ist sie doch ganz anders als die im Augenblick modernen Dystopien für Jugendliche. Für mich war dieses Hörbuch eine echte Entdeckung. Standishs einfache Art gemeinsam mit der angepassten Stimme von Andreas Steinhöfel leiten ganz tief in dieses England von 1956.
Sally Gardner: Zerbrochener Mond, gelesen von Andreas Steinhöfel.
Silberfisch, August 2014.
3 CDs, 14,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Regina Lindemann.