Kel Kade: Gefallene Helden

Eine archaische Fantasy-Welt, Magie und eine Prophezeiung – so beginnt es, die Rettung der Menschen des Königreiches – nur, dass es dieses Mal aber auch so richtig in die Hose geht. Aufgewachsen ist unser verheissener Held weitab von den Zentren der Macht – den Königshof hat Mathias ebenso wenig gesehen, wie die Zitadelle der Magi -, so lebt er, mit seiner Pflege-Omi, in einem kleinen Dorf im tiefen Wald. Zusammen mit seinem Freund, dem angehenden Forstmann Aaslo muss er lernen und üben – den Kampf ebenso wie komische Gesänge und Tänze. Damit er nicht so allein ist, nötigt er seinen Freund die komischen Sachen auch über sich ergehen zu lassen – auch wenn diesem alles ein wenig, ja gut, deutlich schwerer fällt, als Mathias, dem fast alles einfach von der Hand geht.

Ihre Leben scheinen vorgezeichnet – da Jeder ihn und seine offene Art mag, wird Mathias wohl eines Tages Dorfvorsteher werden, Aaslo seine Jugendliebe, für die er schon ein Haus, natürlich im tiefen Wald baut, ehelichen. Doch erstens kommt es – na, sie kennen den Spruch ja. Als eine schwer verwundete Frau im Dorf auftaucht, ist es der Hochmagierin, die Mathias aufzieht und beschützt klar, dass die friedliche Zeit vorbei ist. Die Prophezeiung spricht von einer Invasion – einem alles verheerenden Krieg, den nur ein Mann, Mathias eben, aufhalten kann. So haben es die Götter und Schicksalsweberinnen entscheiden – das steht fest. Sie machen sich, Hals über Kopf auf den Weg, werden angegriffen – und dann geht aber so alles schief. Mathias wird, trotz dem zur Hilfe herbeigeeilten Aaslo, getötet – der Auserwählte ist tot, die Schlacht noch vor ihrem Beginn verloren. Aaslo übernimmt die Aufgabe, dem König vom Tod des verheissenen Retters zu unterrichten. Damit man ihm auch glaubt, nimmt er den abgeschlagenen und magisch konservierten Kopf seines Freundes im Beutel mit.

Als Forstmann ist Aaslo eher ein introvertierter, zurückhaltender Charakter. Nun muss er, noch dazu alleine, in die große Metropole an den Königshof – ein Horror der ganz besonderen Art. Gut, dass sein verstorbener Freund ihm immer wieder lakonische Ratschläge und Kommentare zukommen lässt, die außer ihm niemand hören kann. Ganz klar, er wird langsam verrückt, aber ist das nicht mehr als verständlich? Fern der Heimat, verlassen von allen Bezugspersonen und dann noch mit einer derartigen Botschaft im Gepäck, das kann einen schon runterziehen. Dass er mit seiner Nachricht nicht unbedingt Begeisterungsstürme auslösen wird ist ihm, dem Waldmann klar. Dass sich der König aber angesichts der Hiobsbotschaft weigert, irgendetwas zu tun und sich in sein Schicksal ergibt, macht unseren Waldmann wütend. Wenn der König das Böse, das die Welt bedroht, nicht bekämpft, dann muss halt er ran. Er findet Unterstützung da, wo er sie am wenigsten vermutet – und er entwickelt Kräfte, die ihm niemand, am allerwenigsten seine Gegner, zugetraut hätten …

Immer dann, wenn der Heyne Verlag uns einen dicken Fantasy-Schmöker anbietet und als Übersetzer Michael Siefener auftaucht, dann kann man davon ausgehen, dass etwas Besonderes auf uns wartet. So auch vorliegend, ein Band, in dem der Verfasser recht geschickt mit der Erwartungshaltung seiner Leser (m/w/d) spielt. Der Sidekick, wie man die für das Vorankommen der Handlung unabdingbaren Figuren an der Seite der eigentlichen Helden nennt, rückt überraschend ins Zentrum. Statt Unterstützungsleistungen werden von diesem plötzlich, unerwartet und ungewollt Heldentaten erwartet.

Erstaunlich überzeugend kommt dabei der Widerwillen, die Unsicherheit und die Abneigung des Naturburschen gegenüber den Städtern und seiner Aufgabe zum Vorschein. Dass sich zudem die Götter und eine Tote, die die Seelen der Verstorbenen einsammelt, zu Wort melden, verleiht dem Plot eine weitere Dimension. So wächst uns unser Handlungsträger schnell ans Herz, kann man sich gut in dessen Situation hineinversetzen. Nicht von ungefähr sind es die – wenigen – Figuren, die den Roman prägen. Diese sind interessant gezeichnet, offenbaren wie eine Zwiebel Schale um Schale weitere Charaktereigenschaften und Eigenheiten und bleiben so interessant und entwicklungsfähig.

Demgegenüber steht eine Bühne, eine Welt, von der wir wenig, fast nichts erfahren. Die Handlungsorte bleiben in ihrer jeweiligen Ausgestaltung rudimentär, hier hat der Autor definitiv noch jede Menge Luft nach oben. Man mag darüber streiten, ob die Einführung der auf die Geschicke einwirkenden Götter hätte sein müssen, dennoch sorgen diese Einmischungen für weitere unerwartete Wendungen und Verwicklungen. Noch bleibt, insbesondere was die Gegenspieler unseres Anti-Helden anbelangt, vieles offen, hier legt der Verfasser im Original im Herbst diesen Jahres in seinem Heimatland nach – die Übersetzung wird wohl leider noch etwas auf sich warten lassen.

So bleibt ein durchaus guter Eindruck zurück. Der Roman liest sich angenehm flüssig, stilistisch unauffällig und abwechslungsreich, weckt das Interesse, wie es wohl weitergeht, als er mitten im Fluss der Geschehnisse abbricht.

Kel Kade: Gefallene Helden.
Heyne, Mai 2021.
464 Seiten, Taschenbuch, 14,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.

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