Die Schriftstellerin Katharina Hagena ist Jahrgang 1967 und lebt in Hamburg. Bereits ihr 2008 erschienenes Romandebüt „Der Geschmack von Apfelkernen“ war von internationalem Erfolg gekrönt. In unserem Leselustportal sind drei weitere Buchrezensionen von Hagenas vorangegangenen Romanen zu finden: Vom Schlafen und Verschwinden (2012), Das Geräusch des Lichts (2016) sowie Mein Spiekeroog (2020).
In „Flusslinien“ geht es um drei unterschiedliche Charaktere: Margrit, Luzie und Arthur. Alle drei schleppen jeweils eine Belastung mit sich herum, die ihre gegenwärtige Lebenssituation beeinflusst. Die Protagonisten haben nicht nur eine persönliche Verbindung zueinander, sondern gleichermaßen zum Wasser, zur Elbe.
Die hundertzweijährige Margrit lebt in einer Seniorenresidenz. Immer wieder lässt sie sich von dem jungen Arthur zum Römischen Garten in Hamburg fahren. Von hier kann sie über die Elbe blicken und sich ihren alten Erinnerungen an den Krieg, an ihre Kindheit und Jugend widmen. Die Vergangenheit holt sie jetzt im hohen Alter ständig ein und beschäftigt sie. Auch der Römische Garten selbst hat eine besondere Bedeutung für sie, denn die einstige Gärtnerin Else Hoffa, die diesen Garten für die Hamburger Kaufmannsfamilie Warburg gestaltet hatte, war die Liebhaberin von Margrits Mutter gewesen. Margrit lebt von und aus den Erinnerungen alter Geschichten, zu denen ihr immer wieder neue Details einfallen. Bevor ihre Gedanken nicht alles geklärt haben, kann sie das Leben nicht loslassen.
Die junge Luzie ist Margrits Enkelin. Luzie hat sich kurz vor dem Abitur von der Schule abgemeldet. Sie besucht Margrit regelmäßig, denn Großmutter und Enkelin führen nicht nur viele Gespräche, sie haben auch ein gemeinsames Projekt. Luzie darf den Körper von Margrit tätowieren. Dies macht sie mit großer Hingabe und Perfektionismus. So zaubert sie ein regelrechtes Kunstwerk auf die alte Haut, auf der sie den Flusslauf der Elbe mit der Natur, in die sie eingebettet ist, entstehen lässt.
Die dritte Figur, Arthur, steht in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu Großmutter und Enkelin, dennoch eint ihn mit den beiden eine Verbindung. Jeden Tag fährt er Margrit zum Römischen Garten und holt sie wieder ab. In seiner Freizeit sucht er das Elbufer mit einem Metallsuchgerät ab. Dabei geht es ihm nicht so sehr darum, etwas zu finden. Es ist vielmehr die Vergangenheit und das, was mit seinem Zwillingsbruder geschehen ist, was er bei seinen Sondengängen gedanklich sucht. So kreuzen sich die Wege von Luzie, die in einer Hütte an der Elbe untergeschlüpft ist, und Arthur nicht nur bei Margrit, sondern auch am Wasser.
In Ihrer Nachbemerkung erläutert Katharina Hagena, dass die meisten Schauplätze im Buch existent sind. Ihre Figuren hat sie frei erfunden. Außer Else Hoffa. Die Gärtnermeisterin hat tatsächlich gelebt und den Römischen Garten in Hamburg maßgeblich nach ihren Ideen gestaltet. Im Roman ist Else Hoffa zwischen Fakten und Fiktion verflochten.
Katharina Hagenas Romane sind ein Garant für gute Unterhaltung. Ihr Ideenreichtum scheint unerschöpflich. Die Fakten, die sie in ihre Geschichten einfließen lässt, verwebt sie ansprechend und immer interessant.
Katharina Hagena: Flusslinien.
Kiepenheuer & Witsch, März 2025.
gebundene Ausgabe, 400 Seiten, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.