Fünf Menschen sitzen im Wartezimmer eines Neurologen. Für alle ersinnt sich eine der Wartenden eine Geschichte. Was dabei herauskommt, geht weit über die bloße – bzw. geniale Fabulierkunst der Autorin hinaus, die uns so ganz nebenbei Wissenswertes und Erstaunliches über das Nordlicht und über Moose erläutert.
Indirekt sind die Geschichten miteinander verwoben. Was sie gemeinsam haben ist, dass alle Protagonisten mit dem Verlust eines Menschen klarkommen müssen und der Ort, an dem sich alles abspielt: die kanadische Provinz Alberta.
Zum einen ist da die Biologin Daphne, die fasziniert ist von Moosen und sich mit dem Mikroskop in ihre Mooslandschaft zurückzieht. Innerhalb des Moosuniversums erahnt sie unter ihrer Lupe ein weiteres Universum. Zwischen allem Naturwissenschaftlichen setzt Hagena ein fantastisches Element, indem sie Daphne eine verschollene Kollegin zwischen dem Moos entdecken lässt, deren Spuren sie nach Kanada führen.
Eine andere Geschichte dreht sich um einen Vater und seinen elfjährigen Sohn, die Mutter und Schwester, bzw. Frau und Tochter vermissen. Dem Sohn verleiht die Autorin Verhaltensmuster des Asperger Syndrom. Er ist davon überzeugt, dass Mutter und Schwester nun auf dem Planeten Tschu leben. Um ihren Fluchtweg dorthin zu nachzuverfolgen inspiziert er alle Hydranten und Schächte, die er sieht. Speziell diese Erzählung liest sich mit viel Humor.
Dann gibt es noch eine alte demente Dame, die nur noch weiße Leere im Kopf hat.
Die Geschichte, die die Erzählerin für sich selbst ersinnt, entwickelt sich zum spannenden Krimi und handelt von den fraglichen Ölgewinnungsmethoden eines großen Konzerns.
Auch mit ihrem dritten Roman beweist Katharina Hagena wieder, dass sie ein Garant für kluge Unterhaltung ist. Sie jongliert gern mit Worten, verdreht sie, gibt ihnen neue Bedeutungen. Diese witzigen Elemente hat die Autorin auch in ihren bereits erschienenen Romanen Der Geschmack von Apfelkernen und Vom Schlafen und Verschwinden verwendet.
In jeder Geschichte finden sich wieder bereits bekannte, vertraute Plätze der Vorgeschichte. Dem Wechsel in fantastische Passagen folgt man gern, entspringen doch eben diese Abschnitte einem hintergründigen Kunstgriff der Autorin.
Katharina Hagena: Das Geräusch des Lichts.
Kiepenheuer & Witsch, September 2016.
272 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.
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