Joyce Carol Oates: Die Verfluchten

oatWer sich nach dem Lesen des Klappentextes eine richtig schöne Gruselgeschichte erhofft hatte, wird zumindest teilweise enttäuscht: „Die Verfluchten“ der großen alten Dame der US-amerikanischen Literatur, Joyce Carol Oates, ist zugleich eine zuweilen unangenehm redselige Klatschgeschichte aus dem Princeton (New Jersey) in den Jahren 1905 und 06 sowie ein Abriss über das sozialistische Wirken des Schriftstellers Upton Sinclair. Die so unterschiedlichen Buchteile passen nicht besonders gut zusammen.

Es ist schwer, die überladene Handlung kurz darzustellen: Das 750-Seiten-Buch ist aus der Ich-Perspektive eines Historikers geschrieben, der eine Chronik über den „Princetoner Fluch“ schreibt. Demnach sind alle Personen aus der Umgebung des ehemaligen Universitätsrektors Winslow Slade mit einem Fluch beladen. Unter anderem wird die Enkelin Slades vom Traualtar weg von einem Dämon in eine sonderbare Zwischenwelt entführt, in der sie als Sklavin arbeiten muss.

Joyce Carol Oates, geboren 1938, stellt einige Personen in den Mittelpunkt, die wirklich gelebt haben – wie die beiden ehemaligen US-Präsidenten Woodrow Wilson oder Grover Cleveland. Es wirkt immer etwas anmaßend, sich 100 Jahre später in die Köpfe solcher real existierenden Menschen zu begeben. Denn woher will die Autorin selbst bei noch so guter Recherche wissen, was die damals gedacht und gefühlt haben?

Gänzlich unklar bleibt, was die Kapitel über Upton Sinclair und sein unrühmliches Zusammentreffen mit Jack London mit dem Rest der Handlung zu tun haben.
Doch bei aller Kritik: Würde man diesen Schmöker, der auch die Rassenproblematik und die (unterdrückte) Rolle der Frau zur Zeit der Handlung nicht ausspart, um gut 400 Seiten kürzen, käme eine äußerst spannende und gelungene Horrorgeschichte dabei heraus. Denn es gibt sie schon, die Kapitel, die so dicht geschrieben sind, dass es einen fast vom Hocker reißt. Aber sie sind gut versteckt in einem Wust von überflüssigem Ballast.

Joyce Carol Oates: Die Verfluchten.
S. Fischer, Oktober 2014.
752 Seiten, Gebundene Ausgabe, 26,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.

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