Es ist doch super, wenn das erste Buch des Jahres gleich so ein Superlativ ist. Es tat so gut es zu lesen, dass ich aufgepasst habe, mich durch nichts stören zu lassen, wenn ich es las. Weit entfernt von Erlebnissen mit Romanen, die ich am liebsten schon nach hundert Seiten aufgegeben hätte oder bei denen ich anfing quer zu lesen um zum Ende zu kommen. Bei Hilmar Klute habe ich jeden Satz genossen. Um sogar eine gewisse Beklemmung zu spüren, weil auch dieses Buch ein Ende hat – willze machen! Ich hätte es immer weiterlesen können.
Hilmar Klutes Figur Volker Winterberg (wie viel Klute steckt darin?) ist ein Lyrikfan – und selber junger Dichter -wie er im Buche steht (!) und so komme ich gleich zur zweiten Ebene dieses Romans: er macht bekannt mit all den großen Dichtern und Lyrikern unserer (Nachkriegs-) Zeit, vor allem die, welche die Gruppe 47 bildeten, mit all den Namen wie Rühmkorf, Uwe Johnson, Reich – Ranicki oder auch sonstige literarische Helden wie Böll, Gernhardt, ach was weiß ich…Und immer wieder Nicolas Born, Grass, Handke, Walter Richter! Eine Deutschstunde, oder ein Literaturseminar bekommst du hier frei Haus. Dazu diese wunderbare Geschichte mit der ich mich voll identifiziere: Zivildienst in den Achtzigern im Ruhrgebiet, planlos zwar, aber immer mit dem wissen, da steckt mehr in dir. Und bin ich nicht auch zum Dichter geworden? Ja und ich lebe seit über 40 Jahren davon – es sind zwar eher Lieder mit deutschen Texten, aber viele davon atmen zumindest Dichtkunst. Volker Winterberg schreibt in sein Notizbuch, was er erlebt; fährt – um die existentialistischen Gefühle eines armen Poeten zu erkunden – nach Paris, wo er strandet und mittelos Unwirkliches erlebt – zwar nur zwei Tage lang, aber prägend.
Irgendwann wird er aus seinem Seniorenheimalltag, wo er als Zivi für die Betreuung und Pflege von altersdementen, sedierten und dahinsiechenden Alten verantwortlich ist, rausgerissen, weil er einen Lyrikpreis gewonnen hat und nach Berlin eingeladen wird. Berlin in den Achtzigern war nicht nur als Stadt zweigeteilt, sondern hatte auch den morbiden Charme einer Hochburg für Schattenwesen, Nachtkultur und Anarchie! Man kam in den Achtzigern aus Berlin immer leicht verstört zurück! So auch Volker Winterberg, nach dazu weil Katja, die als Honorarkraft dieses Lyrikertreffen in Berlin begleitete, sich in ihn verliebt, er aber nicht wirklich die Begeisterung von Katja teilt. Allerlei schräge Typen im Berliner (Kneipen, die rund um die Uhr offen sind) Nachtleben, irritieren ihn zusätzlich. Zurück im Ruhrgebiet – auch das eine Analogie zu meinem Leben, er in Bochum, ich in Dortmund – wird er in seinem Altenheim noch mit einem Psychopathen konfrontiert, der, wie er, im Heim auch Zivi ist, aber in ihm, Volker, eine Bedrohung sieht und der dann auch noch komplett durchdreht. Irgendwann ist die Zivildienstzeit zu Ende, und er setzt sich noch einmal in einen Zug nach Berlin, um schlussendlich einzusehen, dass ein Neuanfang ganz anders aussehen muss! Klasse!!!
Hilmar Kluthe: Was dann nachher so schön fliegt.
Galiani-Berlin, August 2018.
368 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Fred Ape.
Hallo,
das klingt sehr interessant und ich muss gestehen, ich könnte eine Nachhilfestunde, was Lyrik betrifft, gut gebrauchen… Seit dem Deutschleistungskurs vor 24 Jahren habe ich mich nur noch sporadisch mit Gedichten beschäftigt.
LG,
Mikka
[ Mikka liest von A bis Z ]
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