Benommen wacht West in einem Krankenbett auf. An nichts kann er sich erinnern, weder wie er hierher gekommen ist, noch warum. Er kann sich nicht bewegen, hat ein taubes Körpergefühl und kann auch wegen eines Schlauchs in seinem Mund nicht sprechen. Sein Zustand bessert sich nur allmählich und ständig wabert er zwischen Schlaf und Wachen hin und her. Einziger Lichtblick ist Olivia, die in einem der Nachbarzimmer wegen einer Essstörung behandelt wird. Sie schaut neben seiner Mutter öfter nach ihm und versucht, ihn am Krankenhausleben Anteil haben zu lassen. Über Blinzeln gelingt es den beiden sogar, richtig miteinander zu kommunizieren. Doch West spürt, dass auch Olivia ein Geheimnis hat.
Cylin Busbys Roman entwickelt sich nur sehr langsam, ja, manche Passagen ziehen sich wie Kaugummi. Der immer wiederkehrende Aufbau der Kapitel wirkt mit der Zeit aufgezwungen. In der Regel beginnt ein Kapitel mit einem Traum von West, bei dem sich nur schwer entscheiden lässt, ob er wirklich Passiertes träumt oder phantasiert. Nicht immer ergeben diese Träume Sinn, geben aber nach und nach Aufschluss über den Jugendlichen. Danach folgt meist ein Klinikabenteuer mit Olivia, die alles daran setzt, sich mit West zu verbünden. Außer seiner Mutter und einer der Krankeschwestern scheint sich neben ihr niemand wirklich für sein Schicksal zu interessieren. Seinen Vater beispielsweise lässt die Situation kalt.
Interessant ist die hier gewählte Sichtweise. Die Geschichte wird konsequent aus Wests Perspektive erzählt. Ganz egal, wie es ihm geht. Ob er gerade nur geradeaus sehen kann oder sich schon etwas stabilisiert hat und seine Umgebung klarer wahrnimmt. Von dieser Sichtweise lebt der Roman einerseits, anderseits ist sie eines seiner Probleme. Denn durch Wests Unfähigkeit zu Bewegung ist die Handlung sehr auf sein Krankenzimmer und seinen Blickwinkel beschränkt.
„Wo immer du bist“ ist kein klassischer Teenager-Roman, behandelt aber dennoch die für die Altersklasse wichtigen Themen. Jugendliche, vor allem Mädchen, ab 14 Jahren sollten angemessen von dem Buch unterhalten werden. Olivias und Wests Geschichte ist auf gewisse Weise eine Liebesgeschichte, aber sie kommt ohne Kitsch und Gefühlsdussel aus. Im Gegenteil wirken die 16- und 17-jährigen Protagonisten oft schon sehr erwachsen, was vielleicht auch der Situation, in der sie stecken, geschuldet sein mag. Je mehr Kapitel man liest, desto tiefer wirkt die Geschichte. Trotz der Längen, besonders zu Beginn des Romans, entwickelt sich dann doch noch alles positiv. Überhaupt ist die zweite Hälfte der Autorin deutlich besser gelungen als die erste.
Ein nettes Teenie-Buch mit einigen Schwächen, das aber doch besonders ist, vor allem wegen seiner Sichtweise und Extremsituation, in der die handelnden Figuren stecken.
Cylin Busby: Wo immer du bist.
Boje, April 2014.
240 Seiten, Gebundene Ausgabe, 12,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.