Charlotte Thomas: Das ferne Land

landCandia, heutiges Kreta, 1645: Als Katharina die Nachricht erhält, dass ihr Ehemann im fernen Arabien verstorben sei und ihr ein beträchtliches Vermögen hinterlassen habe, traut sie ihren Ohren kaum. Der Taugenichts, der das Erbe ihres Vaters verprasst hat, scheint doch noch zu Geld gekommen zu sein. Sie beschließt, mit ihrer Haushälterin Jokasta und dem Russen Pjotr nach Arabien zu reisen. Als Faliero, ein angesehener Mann der Stadt, davon Wind bekommt, setzt er sie auf den Verräter Massimo an, den Katharina für ihre Reise als Dragoman, als Fremdenführer, engagieren soll. Die ungleiche Weggemeinschaft beginnt ihre Reise in den Orient, auf ihrem Weg zahlreiche Abenteuer, karge Wüsten und gefährliche Liebschaften.

Katharina wird gleich zu Beginn des Romans, der mit der turbulenten Belagerung Candias startet, als starke, überaus hochgewachsene Frau charakterisiert, die ihren eigenen Weg geht. Seit dem Tod ihres Vaters lebte erst in Venedig, dann in Candia, alles auf Geheiß ihres ständig abwesenden Ehemanns. Seit zwei Jahren hat sie nichts mehr von ihm gehört, dann kommt die Nachricht seines Todes. Eine typische Frauengestalt des historischen Romans? Mitnichten. Charlotte Thomas gelingt mit „Das ferne Land“ ein erfrischender Roman, der nichts von Klischees wissen will. Katharina mag stark sein, hat aber noch zahlreiche andere Facetten. So zeichnet sie beispielweise gerne, was in der abendländischen Kultur Frauen nicht erlaubt ist, gleichzeitig aber dazu führt, dass die Kapitel von tollen Umgebungsbeschreibungen angefüllt sind.

Dieser historische Roman hat alles, was man sich wünschen kann. Neben den Landschaftsbeschreibungen finden sich viele spannende Szenen, etwa als die Reisegemeinschaft durch die Wüste reist und überfallen wird oder Schiffsbruch erleidet. Auch die Liebe bleibt nicht auf der Strecke, findet aber ganz ungezwungen und authentisch ihren Eingang in den Roman. Es gibt viel über Land und Leute zu lernen, ein angeschlossenes Glossar erklärt fremdländisch klingende Begriffe und Wissen wird ganz automatisch transportiert. Ein rundum gelungener Roman also!

Was auch zu seinem Gelingen beiträgt, ist die tolle Figurenkonstellation. Im Hintergrund zieht Faliero, ohne dass er selbst groß auftritt, wie ein Puppenspieler seine Strippen. Gegenspieler ist Massimo, der facettenreicher kaum sein könnte. Man kann den zwielichtigen Mann niemals komplett einschätzen. Ist er nun Böse oder Gut? Verräter oder Wohltäter? Katharina steht zwischen den beiden Männern. Faliero bezahlt ihre Reisekosten, wenn sie ihm stets Bericht erstattet über Massimos Machenschaften und Kontakte. Zu dem fühlt sie sich aber zusehends hingezogen und möchte ihm nur allzu gerne glauben, dass Faliero ihn in einem falschen Licht sieht.

Ein farbenprächtiger Roman mit so vielen tollen Elementen – da kann man nur begeistert sein!

Charlotte Thomas: Das ferne Land.
Bastei Lübbe, April 2014.
528 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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