Dieser kleine Roman ist in den 1930er Jahren angesiedelt. Der Autor Carlo Cassola zeigt darin das entbehrungsreiche und einfache Leben von fünf Waldarbeitern in der italienischen Maremma auf.
Zentrale Figur ist Guglielmo, der achtunddreißigjährige Protagonist, dessen junge Frau überraschend gestorben ist. Guglielmo hat einen Holzschlag in einem abgelegenen Wald erworben, der über die Wintermonate abgeholzt werden muss. Hierfür hat er sich vier weitere Arbeiter organisiert, mit denen er bereits vorher schon zusammen gearbeitet hat. Mehrere Hektar Pinienwald und Niederwald werden die Männer in ungefähr fünf Monaten zu fällen haben. Die Arbeit ist hart und erfordert ihren vollen Krafteinsatz.
Für Guglielmo ist die Abgeschiedenheit im Wald und das Schlagen der Bäume auch eine Flucht vor der schmerzenden Realität. Seine Gedanken halten ihn immer in der Trauer um seine Frau Rosa gefangen. Um seine beiden kleinen Töchter kümmert sich seit ihrem Tod seine Schwester. Die schwere Arbeit im Wald, die höchste Konzentration erfordert, befreit ihn wenigstens zeitweise von seinem Kummer.
Die Abende verbringen die fünf Männer in ihrer einfachen, selbst gebauten Hütte mit Kartenspielen und vor allem Geschichten erzählen. Hauptsächlich die Erzählungen von Francesco machen die langen Winterabende und Tage, an denen die Witterung es nicht zulässt zu arbeiten, erträglicher. Irgendwie müssen sie schließlich über den Winter kommen. Francesco versteht es, seine Geschichten mit märchenhaften, manchmal auch gruseligen Elementen auszuschmücken. Auch wenn er sich ab und an wiederholt oder die Geschichte plötzlich in einer anderen Variante erzählt, sind die Männer dankbar für seine Unterhaltung.
Nicht einmal über die Weihnachtsfeiertage verlässt Guglielmo mit den anderen den Holzschlag, um wenigstens bei seinen Mädchen sein zu können. Nein, stattdessen bleibt er lieber allein in der kargen Hütte auf seinem spartanischen Reisiglager. Die Einsamkeit im Wald passt zu seinem Schmerz.
Die schlichten Lebensweisen und Entbehrungen, mit denen die Menschen vor ungefähr hundert Jahren zurechtkommen mussten, werden in diesem Text bildhaft ins Leben gerufen.
Ein ruhiges Büchlein, das mit großer Kraft Schmerz und Trauer auffängt.
Carlo Cassola: Ins Holz gehen.
Aus dem Italienischen: Marina Galli.
Kampa, September 2024.
112 Seiten, gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.