In seinem neuen Roman „Selbstporträt mit Flusspferd“ gelingt es dem Gewinner des Deutschen Buchpreises von 2005, Arno Geiger, hervorragend, sich in die Psyche eines 22-Jährigen namens Julian hineinzuversetzen.
Das unfertige Wesen dieses jungen Mannes auf der Schwelle zwischen Jugend und Erwachsensein wird wohl am besten in seinen Gedanken auf Seite 276 zusammengefasst: „Gehe ich nach rechts oder links? Wird eine stabile Persönlichkeit aus mir oder ein Niemand, der nichts auf die Reihe kriegt? Finde ich meinen Platz oder gehe ich unter?“ Solche oder ähnliche Gedanken dürften viele Menschen in seiner Generation haben – was dieses Buch so allgemeingültig und lesenswert macht.
Julian hat Semesterferien, er studiert Tiermedizin, und versucht, sich von einer Trennung zu erholen. Da kommt ihm ein Jobangebot gerade recht. Er soll das Zwergflusspferd eines behinderten Professors pflegen.
Juilan macht die Arbeit mit dem Tier Spaß, und er entwickelt schnell eine Zuneigung zu dem grauen Koloss. In gewisser Weise ist das Tier das genaue Gegenteil von Julian und hat Charaktereigenschaften, die der Junge gerne hätte. Es geht stoisch seinen täglichen Verrichtungen nach, ohne sich permanent von diesem oder jenem aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen.
Julian verliebt sich in die schwierige Tochter des Professors, Aiko, und erlebt ein paar leidenschaftliche Wochen. Doch schon bald driftet sie wieder weg von ihm.
Überhaupt Julians Mitmenschen: Sie sind oft ähnlich unfertig und wankelmütig wie er selbst, was es für alle Beteiligten nicht leichter macht, mit dem Leben klarzukommen.
Erstaunlich ist, wie gut sich der immerhin schon 1968 geborene Geiger – auch sprachlich – in die Psyche von Vertretern dieser Generation hineinversetzen kann. Ein schönes Buch!
Arno Geiger: Selbstporträt mit Flusspferd.
Hanser, Februar 2015.
288 Seiten gebundene Ausgabe, 19,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.