Äonen ist es her, dass zwei intergalaktische Mächte aufeinanderstießen. Der damalige Konflikt wurde mit allen Mitteln geführt, verheerte ganze galaktische Regionen und kostete unzählige Leben. Damals siegten die humanoiden Eshvaren über das Ra´haam, ein einziges Wesen, in das Millionen von Organismen aufgegangen sind und das sich gleich Ungeziefer über ganze Planeten ausbreitet. Der Sieg aber kostete die Eshvaren ihr Leben, das Ra´haam zog sich, schwer angeschlagen, über Jahrtausende in geheime Brutstätten zurück. Jetzt ist es erwacht, hat die Terranische Zivilisation unterwandert und plant seinen endgültigen Sieg. Doch noch sind die Eshvaren nicht besiegt, haben sie doch in weisen Voraussicht einen Plan initiiert – ein Trigger soll die ultimative Waffe gegen die Bedrohung lenken und auslösen – der Trigger ist ein zweihundert Jahre im Kälteschlaf befindliches Mädchen, das von dem Ra´haam mit allen Mitteln verfolgt wird. Gut dass sie Freunde an ihrer Seite hat. Doch wird dies reichen?
Amie Kaufman und Jay Kristoff machen in Mittelband ihrer Aurora-Trilogie dort weiter, wo sie im ersten, fulminanten Band aufgehört haben. Sprich es geht mit jeder Menge Dramatik und Tempo gleich voll hinein in die Action. Dabei machen die beiden Autoren vieles richtig – lassen wir einmal die Regieanweisung „Wie schreibe ich einen SF Bestseller“ Revue passieren: Man braucht zunächst einmal einen uralten Konflikt, in dem zwei Supermächte sich gegenseitig fast gänzlich vernichtet haben – ja, das ist da. Dann kommen unbekannte, übernatürliche Kräfte wie Telekinese ganz gut – gibt es auch. Als Kulisse dienen fremde Planeten, das Weltall mit seinen Wundern und Anomalien (ich sage nur Raumfalte), die alle vor Rätsel stellen – check und versenkt.
Die Rätsel sollen natürlich auch gelöst werden, sprich wir benötigen dringend eine Gruppe junger, entwicklungsfähiger und interessanter Erzähler – die Squad 312, in denen junge Protagonisten aus unterschiedlichsten Zivilisationen zusammenarbeiten ist hier ein Volltreffer. Hier kommt es zu Reibereien, man muss sich aneinander gewöhnen, Vertrauen aufbauen, Freundschaft, später gar Liebe finden und diese wieder verlieren – oh ja, passt. Dann möglichst fiese Gegner – die haben wir vorliegend zu Hauf – nicht nur das Ra´haam ist hinter unserer Crew her, auch ein Sternenzerstörer mit seiner Kriegerkaste macht Jagd auf sie – gibts also auch. Und wir brauchen große Gefühle – wie in tragischer Verlust von Mannschaftsmitglieder, Verrat, Romantik und Liebe – auch hier hat der Text so einiges zu bieten.
Ergo, der Roman nimmt die diesen Lesenden fest an die Hand und lässt nicht mehr los. Der Plot übt eine sehr große Sogwirkung auf uns aus, zu spannend, zu dramatisch sind die immer neuen Wendungen und Offenbarungen. Und wir leiden mit unsere Heldinnen und Helden mit – sowohl ihre emotionale Seite wird hier, insbesondere in der zweiten Hälfte des Romans, immer mehr ins Zentrum gerückt, als auch die Schlachten, Kämpfe und das nur zu oft vergebliche Aufbäumen gegen ihr Schicksal fesseln uns.
Die erneut wunderbar unterschiedlichen Tonfälle der wechselnden Erzähler (jedes Kapitel schlüpft ein anderes Crewmitglied in die Rolle des Erzählers), die uns in ihrer jeweils ganz eigenen Art von den Geschehnissen berichten, trägt zu dem umfassenden Bild, das uns vor Augen kommt, bei. Auch vorliegend gibt es wieder zum Teil massive Info-Dumps – show don´t tell wäre hier besser, aber auch deutlich länger gewesen und der Roman hat so schon einen ganz schönen Umfang – es bleibt aber durchgehend rasant und mega-spannend.
Ein klein wenig zu viel emotionale Achterbahnfahrt weist die Handlung zum Ende hin auf, das nimmt die Dramatik überhand, aber gleichzeitig sind wir ob der Offenbarungen, die uns erwarten, der Opfer, die es zu bringen gilt und des Finales, das sich abzeichnet an die Seiten gebannt. Der mehr als fiese Cliffhanger wird die Zeit bis zum Erscheinen des abschließenden dritten Teils im Sommer lang werden lassen. Klare Leseempfehlung von mir.
Amie Kaufman & Jay Kristoff: Aurora entflammt: Band 2.
Aus dem Englischen übersetzt von Barbara König.
Sauerländer, Januar 2022.
528 Seiten, Taschenbuch, 15,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.