Roberta Rio: Der Topophilia-Effekt: Wie Orte auf uns wirken

Die Historikerin Roberta Rio untersucht in ihrem Buch ein interessantes Phänomen. Jeder von uns kennt vermutlich die Tatsache, dass man sich an bestimmten Orten besonders wohl- oder unwohl fühlt. Diesem Umstand versucht sie, ausgehend von eigenen Erfahrungen, auf den Grund zu gehen. Weil ihre Mutter an Krebs erkrankte, startete sie umfassende Nachforschungen:

Der Gedanke, dass mein Elternhaus beziehungsweise dessen Standort den Verlauf der Krankheit meiner Mutter beeinflusst haben könnte, ließ mich von da an nicht mehr los. Unter anderem wurde mir bewusst, dass ich mich dort noch nie wirklich wohlgefühlt hatte. […] Ich versuchte also, mit historischen Recherchen den roten Faden zu finden, der sich durch die Schicksale zog, die sich an einem Ort zugetragen hatten.“ (S. 74f.)

Frau Rio betont mehrmals, die Naturwissenschaften nicht belehren zu wollen. Zu schnell werde man als Para- oder Pseudowissenschaftler bezeichnet. Tatsächlich muten manche Berichte über „entstörte“ Unfallhäufungsstellen oder über ganz Europa verteilte, mit „roten Kreuzen“ markierte Orte etwas seltsam an. Es wird von Erdstrahlung berichtet und von unterirdischen Wasseradern, die Plätzen eine besonders intensive Energie gäben.

Unsere Vorfahren vertraten allerdings die Ansicht „nullus locus sine genius“. Jeder Ort habe seinen besonderen Geist, wie Maurus Servius Honoratus, ein spätantiker römischer Philologe, feststellte. Dem schließt sich Frau Rio an, wenn sie schreibt: „Jeder Ort besitzt eine Seele und bestimmte Eigenschaften. Beides prägt die Persönlichkeit der Menschen, die dort verweilen.“ (S. 112) Oder prägen die Menschen einen Ort? Das lässt sich nicht genau sagen…

Anhand einiger Beispiele untermauert die Autorin ihre These, dass bestimmte Schicksale sich an bestimmten Orten wiederholen, bzw. dass Erdstrahlung und besondere Kraftfelder Einfluss auf die Gesundheit von Mensch und Tier haben. Sie prägt den Begriff „Topophilia“ und erklärt ihn wie folgt:

Er steht für all das: für dieses unaufhörliche und bisweilen magische Zusammenspiel, für das Nachforschen, für das Nachfühlen, was ein Ort mit uns macht und für das Reflektieren darüber, was wir in Kenntnis seines Geistes aus ihm machen können. Wenn wir dabei sensibel vorgehen und das meiste richtig angehen, erzielen wir einen Effekt, der unser Leben entschieden besser macht: den Topophilia-Effekt.“ (S.119)

Dieses flott lesbare und durchaus interessante Buch regt dazu an, beim Verweilen an Plätzen und Orten in sich hineinzuhören und das eigene Befinden zu erfühlen. Falls man sich die Häufung von Krankheiten in der Familie nicht erklären kann, seinen Wohnsitz ändern oder ein Haus bauen will, mag das durchaus Sinn ergeben. „Wenn wir bereit sind,“ schreibt Frau Rio „Sakrales und Profanes, Objektives und Intuitives, Wissenschaftliches und Künstlerisches zu vermischen, können wir zu Entdeckungen von Bedeutungen gelangen, die uns andernfalls verwehrt bleiben und uns als ewige Mysterien beschäftigen.“ (S. 252f.)

Vielleicht wird der Topophilia-Effekt ja eines Tages wissenschaftlich bestätigt.

Roberta Rio: Der Topophilia-Effekt: Wie Orte auf uns wirken.
edition a, Oktober 2020.
272 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Karina Luger.

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