„Henry persönlich“ von Stewart O‘Nan ist quasi die Fortsetzung des 2011 erschienenen Romans „Emily, allein“ des 1961 geborenen US-amerikanischen Schriftstellers. Damals ging es um eine ältere Dame, die allein lebt, seit ihr Mann Henry vor sieben Jahren gestorben ist.
Der neue Roman widmet sich nun ganz eben jenem Henry. Das Paar, das in seinen 70ern ist, lebt ein beschauliches Leben in Pittsburgh. Henry, der etwas unter dem Pantoffel seiner Frau steht, geht mit dem Hund Rufus raus, fährt zum Baumarkt, repariert alles Mögliche am Haus und sieht sich abends Sport-Reportagen im Fernsehen an. Ab und zu kommt die Verwandtschaft zu Besuch, die nicht immer ganz unkompliziert ist. Und im Sommer geht’s ins Ferienhaus nach Chautauqua. Das ist aber auch schon das Aufregendste im Leben des älteren Paares.
Wie schon in „Emily, allein“ bewährt sich Stewart O‘Nan in der hohen Kunst, einen Roman zu schreiben, in dem eigentlich gar nichts passiert, der aber trotzdem auf keiner seiner vielen Seiten auch nur einen Hauch langweilig ist.
Das liegt vermutlich an dem hohen Identifikations-Potenzial, das der gemütliche, etwas verschrobene, aber insgesamt rundum sympathische Henry verströmt. Er gerät leicht in Panik, weil er nicht weiß, was er mit den Verwandten reden soll, isst gerne Kuchen und hat Angst vor Staus und im Winter glatten Straßen. Welcher Leser würde nicht jemanden kennen, der haargenau so ist, wenn er nicht gerade selbst solche Charaktereigenschaften hat?
Ganz nebenbei lernt der deutsche Leser auch etwas darüber, wie der Alltag für ein mittelständisches älteres Paar in den USA abläuft – mit Sportarten wie Baseball, Thanksgiving und einem fast aus dem Ruder laufenden Halloween-Abend.
Wer nicht auf Verfolgungsjagden, Morde und Serientäter steht, sich dafür aber an dem ganz normalen Alltag erfreuen kann, dem sei hiermit „Henry persönlich“ wärmstens empfohlen.
Stewart O’Nan: Henry persönlich.
Rowohlt, Oktober 2019.
480 Seiten, Gebundene Ausgabe, 24,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.