Sarah Crossan: Nicu & Jess

Der Teenager Nicu lebt erst seit wenigen Wochen in Großbritannien, aus Rumänien ist er mit einem Teil seiner Familie hergezogen, um schnell Geld zu verdienen. Von dem Geld soll eine Braut für Nicu in seiner Heimat gekauft werden. Dabei hat niemand Nicu gefragt, ob er eine haben will! Nicu würde viel lieber hierbleiben, in der Schule lernen und einen guten Job haben. Doch dann lässt er in einem Laden einen Schokoriegel mitgehen und wird zu Sozialstunden verdonnert.

Jess und ihre Clique sind cool. Ladendiebstähle sind ihr täglich Brot. Doch diesmal wird Jess erwischt, zum wiederholten Mal. Ihre Mutter und der Stiefvater sind von den Sozialstunden sofort begeistert, Jess eher weniger. Sie und Nicu treffen bei dem Kurs, der Jugendlichen helfen soll, wieder auf die richtige Bahn zu finden, aufeinander – und es ist, als prallten Welten aufeinander.

Sarah Crossans Bücher sind etwas Besonderes und es sei jeder Leserin, jedem Leser ans Herz gelegt, zumindest eine kleine Leseprobe zu konsultieren, bevor man sich für den Kauf entscheidet. Denn viele von ihnen sind in einer Versform geschrieben und spielen mit Sprache – so auch „Nicu & Jess“. Sprache, Worte, Satzbau und auch Platz auf der Seite selbst werden für Sarah Crossan in diesem Roman zum Spielplatz. Es entsteht eine für neue Leser und Leserinnen der Autorin möglicherweise gewöhnungsbedürftige Geschichte. Dass Nicu die neue Sprache in seiner Umgebung bisher noch nicht perfekt beherrscht, macht es zusätzlich sonderbar, aber auch sehr liebenswert.

Beide Jugendlichen kommen aus schwierigen Verhältnissen. Nicus Eltern sind in einer ganz anderen Kultur aufgewachsen. Bei ihnen muss ein Mann Geld verdienen, um seine Frau zu unterhalten, die wiederum möglichst viele Kinder in die Welt setzt. Dass Nicu etwas anderes im Sinn haben könnte, ist für seine Eltern keinen Gedanken wert. Er traut sich allerdings auch nicht, den Mund aufzumachen. Oder darüber zu sprechen, wie er in der Schule von seinen Mitschülern und Mitschülerinnen schikaniert wird.

Jess lebt mit ihrer Mutter und dem Stiefvater in einer kleinen Wohnung. Der Bruder ist vor kurzem ausgezogen, da er es dort nicht mehr ausgehalten hat. Denn der Stiefvater schlägt die Mutter, wann immer er schlechte Laune hat, ob sie der Grund für die schlechte Laune ist oder nicht. Jess muss zusehen und schafft es nicht, den Teufelskreis zu durchbrechen. Mit ihren Freunden fühlt sie sich stark, klauen gehört dazu wie atmen und rauchen.

Als Nicu und Jess aufeinandertreffen, begegnen sich ganz unterschiedliche Lebensentwürfe und Träume. Doch die beiden Jugendlichen erkennen bald, dass sie gar nicht so verschieden sind und entdecken eine gemeinsame Basis. „Nicu und Jess“ ist dabei vielleicht nicht so unvergesslich, wie die Kurzbeschreibung es suggeriert, aber dennoch ein gut zu lesender Jugendroman für Jugendliche ab 14 Jahren. Eine ungewöhnlich geschriebene Geschichte, die ein weiteres Mal überzeugt.

Sarah Crossan: Nicu & Jess.
Mixtvision, Februar 2018.
330Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,90 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.

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