Haben Sie jemals in Ihrem Leben ein Fantasy-Rollenspiel gespielt? Die Faszination einer Kampagne durch fiktive Fantasy-Welten erlebt, sind in eine Figur geschlüpft und haben mit dieser Abenteuer be- und überstanden? Wenn sie diese Fragen mit Ja beantworten können, dann hätte ich einen munteren, unterhaltsamen Roman für sie: Micky Neilson: Auroboros: Die Windungen der Schlange.
Micky Neilson wurde von den früheren Spielern und Entwicklern damit betraut, aus deren einstiger Kampagne einen Roman zu machen. Etwa 1992 begannen die Spieler eine neue Kampagne zu starten, die in ihrer kleinen Welt Drastnia spielen sollte. Sie siedelten die Handlung chronologisch ein paar Hundert Jahre nach den Ereignissen ihres ersten Abenteuers an und schufen ein neues Reich namens Rechtbrand – ein bodenständiges Setting mit einer autoritären Kirche, die im ganzen Land für Recht und Ordnung sorgt. Trotz der starren Strukturen gab es in Rechtbrand auch Elemente, die widerspiegelten, wo sie sich zu dieser Zeit in ihrem Leben befanden: wilde Musikfestivals, Hippie-Druiden, sprechende Tiere und rauschgeschwängerte lange Nächte. Autoritäten werden herausgefordert, Mythologie entworfen und eine Queste entwickelt.
Die Charaktere selbst sind eine Bande verbitterter Ausgestoßener, die sich den Hass zweiter mächtiger Gruppen zuziehen. Es wäre einfach, den Mächtigen Platz zu machen, sich zurückzuziehen und nach sich selbst zu schauen. Doch unsere zunächst sieben Helden (alles Männer!) mögen keine einfachen Lösungen – man kann getrost auch sagen, sie agieren integer – nun ja, für Gaunerverhältnisse zumindest.
So machen sich ein Hochelf, ein Wüstenzwerg, ein Ma´ii Gestaltwandler, ein Assassine, ein menschlicher Barde sowie ein Wildniswahrer auf, sich den Bösen in den Weg zu stellen – nicht ahnend, dass sie dies mit weit mehr konfrontiert, als vermutet.
Konfrontation mit dem uralten Bösen
Es geht in die Arena, wir besuchen Feste und nehmen an Wettrennen teil, entführen Möbel aus einer fremden Burg, bekämpfen Sekten und werden von dem schlagenden Arm des Klerus gnadenlos verfolgt. Damit nicht genug, werden unsere Helden eingekerkert, besuchen sprechende Tiere, zerstörte und vergessene Metropolen und verschollene Völker – nur um sich am Ende dem uralten Bösen gegenüberzustehen …
Was uns Neilson hier kredenzt, das ist ein lupenreines P&P Abenteuer in der Nachfolge von Dungeons & Dragons. In einer eigenen Welt angesiedelt, erwartet ein munteres Geschehen die Leserin, respektive den Leser. Das Gebotene orientiert sich dabei auf den ersten Blick an dem, was erprobt und erfolgreich ist. Also haben wir die gnadenlos Bösen – hier die Häscher der Kirche sowie die Agenten der Sekte, die sich unversöhnlich gegenüberstehen, nur in der Verfolgung unserer Truppe geeint sind. Dazu gesellen sich jede Menge Mythen, Geheimnisse und Entdeckungen.
Realitätsnähe und innere Überzeugungskraft
Unsere Protagonisten bereisen das Land, ja sie erkunden gar verschollene Ecken der Welt, die seit Generationen tabu sind. Sie werden gefangen genommen, gefoltert und versklavt, kämpfen – erfolgreich – in der Arena, gewinnen Rennen und finden Verbündete und Freunde. Dass dies alles nicht einfach für sie ist, dass Wunden und Narben zurückbleiben, dass sie sich so manches Mal fragen, wofür sie sich dies alles eigentlich zumuten, was sie dazu veranlasst, für andere ihre Haut zu Markte zu tragen, fügt dem Plot Realitätsnähe und innere Überzeugungskraft hinzu.
Später kommt es zu herben Verlusten, die sie auch nicht einfach wegstecken oder übergehen. Und, zwischen den Zeilen inkludiert, sind durchaus tiefgründigere Fragen. Fragen nach Verantwortung, nach Aufopferung und den Preis für Freiheit. Fragen aber auch nach Religionsfreiheit, nach der Akzeptanz Fremder, Andersdenkender.
Das Gebotene liest sich zwar inhaltlich nicht wirklich überraschend neu, dafür aber flott und sehr amüsant in einem Rutsch durch.
Micky Neilson: Auroboros – Die Windungen der Schlange
Aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von Oliver Hoffmann
Panini, Februar 2023
541 Seiten, Paperback, Euro 19,00.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.