Eine verzwickte Dreiecksgeschichte mit all ihren kleinsten Stimmungs-Verästelungen und -Verwirrungen beschreibt die amerikanische Schriftstellerin Lionel Shriver (geboren 1957) in ihrem dünnen Roman „Die perfekte Freundin“. Weston und Jillian waren früher mal ein Paar. Jetzt treffen sie sich noch dreimal pro Woche zum Tennis spielen. Das gefällt Westons neuer Freundin Paige überhaupt nicht. Sie will nur in Westons Heiratspläne einwilligen, wenn er Jillian für immer verlässt und verspricht, sie nie wiederzusehen.
Das stürzt den etwas entscheidungsfaulen Weston in tiefe innere Konflikte. Jillian, eine als etwas schrill und exaltiert beschriebene Hobbykünstlerin, scheint davon nichts zu bemerken. Im Gegenteil: Kurz vor der Hochzeit macht sie dem Brautpaar ein geradezu bombastisches Geschenk, was die Gesamtsituation nicht eben erleichtert.
Es ist bemerkenswert, wie spannend dieses Buch ist, ohne dass auch nur das geringste Bisschen an Kriminellem geschieht. Die Spannung ergibt sich ganz allein aus den zwischenmenschlichen Interaktionen der drei Figuren. Wie wird sich Weston entscheiden? Opfert er seine langjährige Freundschaft zu Jillian zugunsten einer Ehe mit der als etwas streitlustig dargestellten und auf ihrer Meinung beharrenden Paige?
Schön ist, dass man auch als Leser nicht recht weiß, auf welche Seite man sich schlagen soll. Jillian ist schon ein bisschen übergriffig, oder? Und hat die zwar etwas unsympathisch wirkende Paige nicht vielleicht auch recht, wenn sie die Lossagung ihres Bräutigams von Jillian fordert? Und Weston? Ist es für ihn nicht allzu angenehm, ein Leben mit gleich zwei Frauen zu führen? Andererseits: Was ist so schlimm an gemeinsamem Tennis? Lionel Shriver hält dieses Geflecht in einer geschickten Balance, und die Sympathie des Lesers kippt nie gänzlich in die eine oder andere Richtung.
Bemerkenswert an diesem Buch ist auch die Sprache (Übersetzung von Christine Richter-Nilsson). Die Times hat über Lionel Shriver einmal geschrieben: „Diese Frau kann einfach keinen Satz schreiben, der nicht intelligent wäre.“ Etwas, dem man hundertprozentig zustimmen kann.
Lionel Shriver: Die perfekte Freundin.
Piper, November 2020.
160 Seiten, Gebundene Ausgabe, 18,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.