„Hier könnte das Ende der Welt sein“ ist ein Jugendbuch, das LeserInnen mit literarisch eher anspruchsvollen Ambitionen ansprechen wird.
Wir lesen von dem siebzehnjährigen Cullen Witter, der in Lily, einer langweiligen Kleinstadt in Arkansas lebt. Im zweiten Kapitel machen wir Bekanntschaft mit Benton Sage und dessen religiösen Visionen. Dabei ist fast bis zum Ende kein Zusammenhang zwischen den beiden unterschiedlichen Protagonisten erkennbar. Der Autor arbeitet mit zwei verschiedenen Erzählsträngen- und techniken, was anfangs etwas irritierend anmuten kann.
Vielleicht ist es die Eintönigkeit in Lily, die Cullens Gedanken Phantasieblüten treiben lässt, vielleicht fühlt er sich in der trägen Gleichförmigkeit als Einserschüler schlicht unterfordert.
Er macht sich Gedanken um den Sinn des Lebens, erfindet immer wieder neue Buchtitel nach gewissen Situationen, und er stellt Überlegungen an, unter welchen Umständen das Leben eine Wendung nehmen und alles plötzlich ganz anders sein könnte. So denkt er sich sein „Was, wenn?“-Spiel aus.
Der Tod seines Cousins trifft Cullen nicht sonderlich; er sieht dessen Schicksal eher rational.
Das plötzliche Verschwinden seines jüngeren Bruders Gabriel dagegen bereitet Cullen großes Leid.
Zeitnah mit Gabriels Verschwinden erwacht Cullens Heimatort Lily aus einem Dornröschenschlaf, als dort plötzlich der seit sechzig Jahren als verschollen geltende Lazarusspecht wieder auftaucht und der Ornithologe John Barling samt weiteren Ornithologen alle bewohnbaren Betten bevölkern. Im Aufruhr um den Lazarusspecht rückt Gabriels Verschwinden bei der Bevölkerung in den Hintergrund. Innerhalb Cullens Familie wird die Situation immer deprimierender. Cullen stellt Überlegungen an wie es sein könnte, wenn die Situation mit Gabriel dieselbe wie die mit dem Lazarusspecht wäre, und sein Bruder, als wäre nie etwas gewesen, irgendwann wieder auftauchen würde. Dann verändert sich noch etwas in Cullens Leben: Er verliebt sich in Ada, die alle ihre Freunde angeblich bei Unfällen verloren haben soll…
Aberwitzig und ironisch geprägt dreht sich das Buch ums Verlieren und wieder Finden, um Wünsche, Phänomene und Perspektiven im Leben.
John Corey Whaley: Hier könnte das Ende der Welt sein.
Hanser, März 2014.
216 Seiten, Gebundene Ausgabe, 15,90 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.