Kennen Sie das kleine Örtchen Bath in der Grafschaft Sommerset in Großbritannien? Ein pittoreskes Städtchen, in dem sich – eigentlich – Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Wir haben eine heiße Quelle, alte Statuen und eine Buchhandlung. Spätestens jetzt sollten sie als erfahrener Garth Nix Leser stutzig werden. Buchhandlung und Statuen, abgelegen, nichts los – in der Kombination und dem Wörtchen „eigentlich“ schlägt unser Spürsinn sofort an.
In Buchhandlungen gibt es üblicherweise Buchhändler – und aus dem ersten Band der „magischen Buchhändler von London“ wissen wir, dass diese, gleich ob Rechts- oder Linkshänder, über die magische Sicherheit und die übernatürlichen Wesen wachen.
Eigentlich – schon wieder, bemerken sie die Massierung dieses Wortes? Wollte die Kunst-Studentin Susan ja mit dieser Welt nichts mehr zu tun haben? Ihr Vater, der alte Mann von Coniston, einer der Urherrscher Englands, möchte sie zu sich rufen; Merlin, der vielleicht fähigste, auf absolut jeden Fall aber schillerndste linkshändige Buchhändler, will sie an seiner Seite wissen – beide versucht sie auf Abstand zu halten.
Dann geht Merlin verloren. Eine uralte Karte, in dem Einband eines Buches versteckt, versetzt ihn bei der Berührung an einen Ort außerhalb der Zeit.
Dumm, dass nur eine Transloktionskarte ihn wieder in seine heimische Umgebung zurückversetzen könnte. Ganz dumm, dass all diese Karten gerade weg sind, ihre Hüter in der Weltgeschichte herumreisen. Da bleibt als letzte Hoffnung nur Susan – sie soll mit ihren vom Vater verliehenen Kräften an Ort und Stelle eine neue Karte zeichnen. Gesagt, getan – nur, dass sie dabei der Steinernen Lady auf die Spur kommen, die seit Jahrhunderten junge Menschen opfert, um ihre tödlich erkrankte Tochter in der Dimension vor dem Zugriff der Zeit und ihres Schicksals zu schützen. Susan wäre ein Opfer, das vielleicht die Heilung bedeuten könnte.
Ein Wettlauf beginnt – die Steinerne Lady und ihre Verbündeten jagen Susan, die Buchhändler versuchen sie zu schützen – und sie selbst versucht – irgendwie zu überleben …
Stand im ersten Band noch das Kennenlernen der Buchhändler, als geheime Organisation zwischen den Göttern auf der einen Seite und den Menschen auf der Anderen im Zentrum des Geschehens – ja, es ging auch um Susans Abstammung – so dreht sich vorliegender Roman darum, wie Susan mit den Offenbarungen über ihren Papa umgeht.
Verpackt hat Nix diese Frage in eine durchaus spannende, temporeiche, manches Mal ein wenig zu übersprudelnde Agenten-Geschichte, die sich uns als Mischung von den Kingsmen meet The Avengers (mehr mit Schirm, Charme und Melone als die Comichelden) anbietet. Die Ansiedlung in den frühen 80er Jahren sorgt für unfreiwillige Komik und Reminiszenzen der angenehmen Art, darüber hinaus erwartet uns ein abgedrehter Plot. Selbiger lässt so manches Mal die Logik außen vor, wird zudem von Susans Weigerung, in ihre vorgesehene Rolle zu schlüpfen, gebremst.
Nach einem etwas mühsamen, leider entsprechend langatmigen Start nimmt die Handlung dann Fahrt auf, inkludiert Rätsel und interessante Figuren, bleibt aber von der Zeichnung der Handelnden her doch recht oberflächlich. Unterhaltsame Lektüre der temporeichen Art also, die das Potenzial hätte, in den nächsten Bänden vielleicht noch draufzusatteln, ein wenig mehr Tiefgang und Charakterentwicklung hinzuzufügen, bis dahin aber munter unterhält.
Garth Nix: Die magischen Buchhändler von London 02: Die geheime Karte
aus dem australischen Englisch übersetzt von Ruggero Leò
Penhaligon, November 2023
379 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.