Dr. Jürgen Todenhöfer: Die große Heuchelei: Wie Politik und Medien unsere Werte verraten

„Die Außenpolitik des Westens beruht auf einer zentralen Lüge: Seine oft terroristischen Militärinterventionen dienen nie der Freiheit und Demokratie, sondern stets ökonomischen und geostrategischen Interessen.“ Das ist die Kernaussage des Buchs „Die große Heuchelei“ von Jürgen Todenhöfer. Und das ist wirklich keine angenehme Botschaft.

Zusammen mit seinem Sohn hat Todenhöfer weltweit Krisengebiete besucht, unbeschreibliche Gräuel gesehen und weit mehr Hintergründe in Erfahrung gebracht, als den meisten von uns bekannt sind. Insbesondere die USA stehen bei ihm in der Kritik als intrigante Machtstrategen, deren brutale militärische Vorgehensweise oft genug nicht zum gewünschten Ziel führt, sondern destabilisierend wirkt und den Terrorismus gar erst hervorgebracht hat. So erklärt Todenhöfer, dass die USA Israel helfen wollten, mit dem Iran und seinem Nuklearprogramm fertig zu werden. Dazu sollten die Syrer dabei unterstützt werden, das Assad-Regime zu stürzen. Tatsächlich aber führte dies dazu, den Iran zu stärken und Russlands Position im Nahen Osten zu verbessern.

In Deutschland ist man nach dem Krieg mit dem sicheren Glauben aufgewachsen, die USA seien „die Guten“ in der Welt. Daran zweifelt wohl so mancher schon seit längerem. Und je mehr man im Buch liest, desto eindeutiger wird, dass es in dieser Welt nicht um Gut oder Böse geht. Weder bei den USA, bei Russland, noch bei anderen Militärmächten. Die Begriffe „Gut“ und „Böse“ sind bestenfalls zu belächeln. Es geht nicht darum, die Werte, mit denen wir uns wichtig sein sollten – wie Freiheit, Gleichheit, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen und zu verbreiten. Es herrscht in Wahrheit eiskalter Zynismus und nur die eigenen Machtinteressen zählen. Menschleben und demokratische, humanistische Werte zählen nicht.

Grundsätzlich erscheint mir der Inhalt des Buchs schlüssig und glaubhaft, wenn es auch von vielen persönlichen Eindrücken geprägt ist. Zwischen den Zeilen wird auch klar, dass Todenhöfer eine starke Affinität zum Islam hegt. Hier vermisse ich Kritik auch in diese Richtung. Insbesondere was persönliche Freiheiten und Frauenrechte betrifft. Natürlich können Jahrhunderte entsprechender Traditionen nicht durch Kriege und Machtpolitik durchbrochen werden. Aber Falsches wird eben durch anderes Falsche nicht zu Richtigen.

Schön wäre es, wenn jeder Leser des Buchs sich am Ende darauf besinnt, die Realität gegenwärtiger  globaler Machtspiele nicht als selbstverständlich und unabwendbar zu akzeptieren. Wir sollten auf Anstand und Menschlichkeit bestehen und das, wo immer möglich, durch die demokratischen Mittel, die uns zur Verfügung stehen, durchsetzen.

Jürgen Todenhöfer ist Jahrgang 1940 und war als Politiker und Medienmanager tätig. Er ist Autor und Publizist.

Dr. Jürgen Todenhöfer: Die große Heuchelei: Wie Politik und Medien unsere Werte verraten.
Propyläen Verlag, März 2019.
352 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19,99 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Pia Konle.

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