„Der Beobachter“ hätte der neue Krimi von Charlotte Link auch heißen können. Aber so hieß schon ihr letzter Bestseller. Wer „Die Betrogene“ im neuen Thriller der Bestseller-Autorin wirklich ist, entblättert sich erst ganz am Schluss.
Dieses Buch ist (mal wieder bei Link) ein Meisterwerk: über 640 Seiten hoch spannend, psychologisch sehr genau ausgeleuchtet und klug und stringent erzählt.
Eigentlich erzählt Charlotte Link in dem Roman drei, zumindest zwei Geschichten: die von der Scotland-Yard-Polizistin Kate Linville, die auf eigene Faust nach dem Mörder ihres Vaters, auch einem ehemaligen Inspektor sucht, und die von einer kleinen Familie, die mit ihrem Adoptivsohn Urlaub in der Abgeschiedenheit in den Hochmooren von Yorkshire macht.
Dort schlüpft die leibliche Mutter mit ihrem Lebensgefährten unter. Und dieser Mann mit Schusswaffe ist so unberechenbar wie gefährlich. Aber ist er auch der Mörder von Kates Vater?
Eine Hetzjagd beginnt, und bei der haben die Frauen immer einen kleinen Vorsprung. Chefermittler Caleb Hale kämpft als ehemaliger Alkoholiker gegen den Rückfall, während seine Assistentin Jane und Kate dem Mörder, der seine Opfer gut beobachtet, dicht auf der Spur sind.
Kates Vater (und nicht nur er) hat offenbar ein Doppelleben geführt; denn es werden auch seine frühere Geliebte Melissa und sein damaliger Assistent bestialisch gefoltert und umgebracht. Charlotte Link beschreibt das alles mit viel unheimlicher Atmosphäre, lässt den Lesern oft gegenüber den Figuren einen kleinen Wissensvorsprung, überrascht am Schluss jedoch alle.
Zwei fünfjährige Jungen sorgen für die Schlüsselszenen in dem Krimi, den man gar nicht wieder aus der Hand legen möchte, weil er so spannend ist. – Unbedingt lesen. Und dann auf die Verfilmung freuen.
Charlotte Link: Die Betrogene.
Blanvalet, September 2015.
640 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Julia Gaß.