Was sich anhört wie ein Ratgeberbuch, ist ein nachdenklicher und gleichsam verblüffender Roman mit vielen Gedanken über das Leben und wie unser Leben gelingen kann:
Der Protagonist Walter Wemut schreibt jeden Samstag für eine Zeitung einen Nachruf auf berühmte oder gänzlich unbekannte Menschen. Wem er seine Nachrufe widmet, bleibt ihm selbst überlassen. Abgesehen davon hat Walter Wemut die Erfahrung gemacht, dass es über jeden Menschen etwas Interessantes zu erzählen gibt und bezeichnet sich selbst als den publizistischen Totengräber der Zeitung.
Als er für eine achtzigjährige Freundin eine Rede über das gelungene Leben schreiben soll, macht er sich weitreichende Gedanken hierüber. Dieses Nachsinnen führt zu einem Monolog, der sich durch das gesamte Buch zieht. Walter Wemut lässt sich einesteils inspirieren von der Literatur, gleichsam erinnert er sich an Freunde, an gescheiterte Freundschaften und gescheiterte Menschen. Er macht sich Gedanken über Glück und Unglück, das diesen Menschen widerfahren ist oder über (scheinbar) ganz profane Dinge. Anregungen findet Wemut unter anderem bei seinem Zeitungshändler, der in seinen „Tagebüchern des Weltgeschehens“ die kuriosesten Geschichten gesammelt hat. Aber Wemut ist kreativ genug, um auch mit eigenen Erlebnissen erstaunliche Gedankengänge zu verknüpfen. – Als er sich selbst einer Magenspiegelung unterziehen muss, stellt er Assoziationen zu einem Schwertschlucker her und sinnt ausführlich darüber nach, wie immens schwierig es sein muss, ein Schwert zu schlucken. Ein anderes Mal kommt ihm das Interview in einer Zeitung unter dem Titel „Wie wir leben, beeinflusst unser Sterben“ mit einer Palliativmedizinerin in den Sinn, was er dann ausführlicher wiedergibt und erörtert. Wemuts Gedanken springen zu John Lennon und Yoko Ono und ihren abstrusen Interviews, zu Glücksmomenten, zu einem von ihm so empfundenen etablierten Klassendenken unserer Gesellschaft, zu Spielregeln im Zusammenhang mit ihren Religionen, zu selbst- und fremdbestimmtem Leben…
Walter Wemut sitzt seinen LeserInnen quasi imaginär im Sessel gegenüber und plaudert und plaudert, und ständig greift er ein noch interessanteres Thema auf. So monologisiert er sich durch die Seiten, die ohne irgendeine Gliederung auskommen. Doch immer wieder muss man innehalten beim Lesen, denn der Text bewirkt, dass man mit eigenen fortführenden Betrachtungsweisen Wemuts Anschauungen verarbeitet.
Walter Wemuts Handreichungen für ein gelungenes Leben lesen sich Seite um Seite scharfsinnig und amüsant.
Axel Hacke: Wozu wir da sind: Walter Wemuts Handreichungen für ein gelungenes Leben.
Verlag Antje Kunstmann, August 2019.
240 Seiten, Taschenbuch, 9,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Annegret Glock.