Ich werde es nicht müde, die so genannten Kleinverlage dafür zu loben, den Autoren eine Plattform für kurze Texte zur Verfügung zu stellen.
Gerade in Zeiten, da die Großverlage den Kampf um Regalmeter in den Buchhandlungen sehr aggressiv und kostenintensiv führen, dabei kundtun, dass Bücher zu billig seien, obwohl bei den Autoren vom Kaufpreis kaum etwas ankommt, und das Meiste in der Verwaltung und dem Marketing versickert, ist es um so wichtiger, dass einige Verlage gegen den Strom schwimmen. Sie zeigen mit Anthologien und Kollektionen, dass es nicht nur gute, zum Teil herausragende kurze Texte gibt, sondern auch, und dies ist wichtiger, dass es einen Markt für diese Geschichten gibt. Seien es kurze pointierte Stories, mittellange Erzählungen oder Novellen, hier kann ein Autor nicht nur erste Fingerübungen machen, sondern auch Konzepte und Ideen ausprobieren, seine Leser und Fans überraschen.
Ich lernte Andreas Gruber lange, bevor er mit seinen bei Goldmann erscheinenden Thrillern für Furore sorgte, kennen und schätzen.
Gerade mit seinen „Fingerübungen“ den Kollektionen, die er zu Beginn seiner Karriere herausbrachte und die zurecht mit dem Deutschen Phantastik Preis ausgezeichnet wurden, stellte sich ein junger Autor vor, der nicht nur schreiben konnte, sondern der auch etwas zu erzählen hatte. Dabei bot er noch jede Menge Abwechslung – sowohl inhaltlich, wie das Genre betreffend. Romane schlossen sich an, zwischenzeitlich ist der Österreicher eine feste Größe im Deutschen Verlagsbusiness.
Steffen Janssen hatte mit „Northern Gothic“ bereits einmal das verlegerische Vergnügen, eine Kurzgeschichten-Kollektion Grubers aufzulegen. Nun folgen dreizehn Geschichten, die eher der Science Fiction zuzurechnen sind, die aber auch bestens, spannend unterhalten und den Leser die Zeit vergessen lassen. Stilistisch solide, von den Charakterzeichnungen angesichts der Kürze der Texte minimalistisch aber dennoch immer treffend, erwarten den Leser inhaltlich ganz unterschiedliche Beispiele der Gruberschen Erzählkunst.
Da bringt ein biederer Familienvater, von Beruf Tierarzt, in einem Amoklauf seine ganze Familie inklusive der beiden kleinen Kinder um, hat aber eine sehr gute Begründung für seine Taten, da fährt ein Bus in der Nähe von Roswell einige merkwürdige Wesen spazieren, da sucht ein Detektiv in der Zukunft den untreuen Ehemann mittels DNA Spur über Satellit und stößt auf flüchtende Verbrecher, da wird versucht, den Untergang der Titanic zu verhindern, um den Weltkrieg abzukürzen, da erwartet den TV-Junkie eine ultimative, menschenverachtende Spielshow, verfolgen gasförmige Siliziummaschinen ihre Schöpfer, den Menschen, wird die Unsterblichkeit mittels Nanomaschinen gesucht, begleiten wir anno 1885 eine Expedition zu den Relikten der Maya, ermittelt ein futuristischer Hamburger Forensiker die Identität einer Leiche, lernen wir den Verantwortlichen für den weltweiten Fallout kennen, enträtseln den Verbleib von verschwundenen Raumschiffen im Asteroidengürtel, und begeben uns mittels Steampunkmaschinen auf Zeitreisen – wie man sieht, ist für Abwechslung wahrlich gesorgt.
All diese Geschichten wurden bereits schon einmal veröffentlicht, allerdings wird man die Periodika kaum mehr bekommen können. Der Autor hat sie alle für die vorliegende Ausgabe überarbeitet, in Form gebracht und präsentiert sie einmal mehr als Mann der vielen unterschiedlichen Stimmen.
Nachdenkliche Texte wechseln sich mit packenden Rätseln ab, ein paar Kämpfe gibt es auch, doch das ist nicht so Grubers Ding. Er schaut lieber auf seine Figuren, wie es denen (er)geht, wie sie auf die Schicksalsschläge, die ihnen widerfahren, reagieren, diese verarbeiten, das ist es, was ihn interessiert.
Dass er dabei nicht vergisst, seine Leser zu unterhalten, dass es immer spannend und faszinierend zugeht, dass kaum ein Ausgang vorher erkennbar oder vorhersehbar ist, macht den Reiz dieser Beiträge aus.
Also zücken Sie ihren Geldbeutel, und nehmen sie eine reichliche Prise Österreichischer SF der gehobenen Klasse zu sich – ihr Leserherz wird es danken!
Andreas Gruber: Apokalypse Marseille.
Luzifer Verlag, Mai 2016.
344 Seiten, Taschenbuch, 12,99 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Carsten Kuhr.