Als beim Klettern im Familienurlaub Nias Zwillingsbruder Leo die Felswand hinabstürzt, ist er nur kurze Zeit später hirntot. Die Eltern entschließen sich zu einer Organspende und für Nia verändert sich alles auf der Welt. Ihr Fels in der Brandung, ihr Halt, er ist nicht mehr da. Nur schwer kann sie sich aufraffen, ohne Leo weiterzumachen.
Jonny lebt seit Wochen an ein Gerät gekoppelt. Sein Herz macht seinen Job nicht mehr und Jonny wartet dringend auf eine Organspende. Dann findet sich ein Herz, das passt, und alles geht ganz schnell. Nach der Operation fühlt sich wunderbar wie schon lange nicht mehr, doch es quält ihn auch eine Frage: Wer musste für ihn sterben? Wer gab ihm diese Chance und unter welchen Umständen? Heimlich begibt sich Jonny auf die Suche in den Medien.
Wohin diese Reise führen muss, ist wohl klar. Aber obwohl man den Verlauf von Tamsyn Murrays Roman vorhersehen mag, macht ihn das nicht weniger lesenswert. Die Geschichte ist locker, aber auch mit dem nötigen Ernst erzählt. Sie lässt sich einfach gut lesen. Im Wechsel berichten Nia und Jonny von ihren unterschiedlichen Erlebnissen im Krankenhaus, dann später zu Hause und in ihrem Alltag, der sich für beide grundlegend verändert hat. Jonny muss nicht mehr im Krankenhaus sein und an Geräte angeschlossen seinen Tag verbringen, in ständiger Angst vor Infekten oder anderen Komplikationen. Er darf keinen Kontakt zum Spender oder dessen Familie aufnehmen. Doch die Frage nach ihm quält Jonny und er recherchiert auf eigene Faust. Für Nia ist auch nichts mehr wie vorher. Sie stand mit ihrem Bruder Leo in ewiger Konkurrenz. Er war einfach perfekt, konnte alles auf Anhieb und war bei den Mitmenschen und Eltern allseits beliebt. Nia fragt sich, wie es ohne ihn sein kann, wenn die Eltern beispielsweise nur noch die nicht so gelungene Tochter an ihrer Seite haben? Jetzt, wo Leo nicht mehr da ist, zweifelt sie noch mehr als sonst an sich.
Natürlich treffen die beiden aufeinander, texten sich im Verlauf des Romans häufig über einen Nachrichtendienst und bald entwickelt sich da auch mehr. Tamsyn Murray gelingt es an allen Stellen der Geschichte die Gefühle mit einem gewissen Händchen für Details einzufangen, ohne dass es kitschig wird. Ohne dass sie das Rad neu erfindet, ist die Geschichte sehr schön. Ein ganz wunderbares Buch für Mädchen ab etwa 13 Jahren. Neben den klassischen Themen des Jugendromans wie Freundschaft, erste Liebe und der Konkurrenzkampf zwischen unterschiedlichen Geschwistern, werden hier auch Themen wie Krankheit, Tod und Organspende jugendgerecht behandelt. Perfekt eingebettet in den Verlauf der Geschichte wird etwa gefragt, wie sinnvoll es sein kann, Leos Organe zu spenden. Nia befasst sich damit, was es heißt, dass der Tod ihres Bruders viele Möglichkeiten für andere Menschen gibt, die durch seine Spende weiterleben können. Dass sie nur wenig später einem der Empfänger gegenüberstehen wird, ahnt sie dabei natürlich nicht.
Ein toller, perfekt zu lesender Roman!
Tamsyn Murray: Für immer und einen Herzschlag.
Planet!, Juli 2018.
368 Seiten, Gebundene Ausgabe, 16,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Janine Gimbel.