Sten Nadolny (75) ist 1983 mit „Die Entdeckung der Langsamkeit“ berühmt geworden. In seinem neuen Roman geht es zauberhaft zu. Zauberer Pahroc hat im Alter von über 100 Jahren das Bedürfnis, seiner Enkelin Mathilda Briefe zu schreiben, die sie in ferner Zukunft – wenn sie volljährig ist – lesen soll. Darin beschreibt der hochbetagte Senior sein Leben und erklärt ihr die wichtigsten Zauberkünste. Dieses Zaubern ist hier durchaus wörtlich gemeint und bezieht sich nicht auf irgendwelche Zirkustricks. Pahroc kann fliegen, durch Wände gehen, Geld in unbegrenzter Menge herstellen und vieles mehr. Das verleiht dem Buch einen angenehm surrealen, manchmal märchenhaften Glanz mit Ironie und leisem Humor.
Dennoch ist „Das Glück des Zauberers“ kein verkappter „Harry Potter“. Im Mittelpunkt stehen die deutschen Geschehnisse im 20. Jahrhundert von der Zwischenkriegszeit in den 20ern, über Nazizeit und Krieg in den 30er- und 40er-Jahren bis bin zu den Studentenunruhen und der Gegenwart mit Flüchtlingen und Terror.
Nadolny kommentiert das alles und legt dabei eine sehr humanistische, menschenfreundliche Sichtweise an den Tag. Das liest sich sympathisch und wirkt gelegentlich sogar ein bisschen weise. Allerdings hat der Text stellenweise auch einen etwas altväterlich und belehrend wirkenden Beigeschmack. Man glaubt zu spüren, dass hier ein Autor am Werk ist, der selbst nicht mehr ganz jugendlich ist.
Eine solche Mischung – Gesellschaftskritik und Philosophie kombiniert mit Fantasy-Elementen – ist selten und schon deshalb zu loben.
Ganz am Ende erlaubt sich der Autor noch eine kleine, witzige Pointe: Im Jahre 2030 fliehen die Europäer nach Damaskus. Man darf wohl skeptisch sein, ob das eintrifft.
Sten Nadolny: Das Glück des Zauberers.
Piper, September 2017.
320 Seiten, Gebundene Ausgabe, 22,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Andreas Schröter.
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