Katrine Engberg: Glutspur

Fast bis zum Ende laufen drei Erzählstränge in KatrineEngbergs neuem Krimi um Privatermittlerin Liv Jensen parallel. Klar, dass es zwischen den drei Fällen, um die es geht, Schnittstellen geben muss, aber nicht nur Liv muss lange recherchieren, bis sie die Verbindungen sieht, auch als Leser sieht man lange nicht, was die Fälle um den Mord an einem Journalisten, den Selbstmord eines Häftlings und den Mord an einer Museumsmitarbeiterin verbindet.

Zwischen den einzelnen Fällen liegen Jahre, die Opfer kannten sich nicht und haben offensichtlich auch keinerlei Gemeinsamkeiten. Auch warum Liv nun wirklich den Polizeidienst quittiert hat und jetzt als Privatermittlerin arbeiten will, wird nicht ganz klar. So ganz hat sie die Verbindungen zum alten Job allerdings noch nicht gekappt, noch laufen die Geschäfte als Selbstständige nicht so gut. Als ihr alter Freund und Kollege Petter sie also bittet, einen alten Fall wieder aufzurollen, um vielleicht doch noch neue Fakten und Ergebnisse aufzudecken, denkt Liv nicht lange nach.

Die Umstände des Mordes an einem Kulturjournalisten vor drei Jahren sind noch immer nicht lückenlos geklärt. Petter bittet Liz, sich diesen Cold Case noch einmal vorzunehmen. Liv übernimmt die Recherchen – ohne Honorar. Sie hängt wohl schon noch am Job als Polizistin. Ermitteln ist eben ihr Leben. Durch ihren Umzug nach Kopenhagen lernt sie Hannah Leon kennen, die vor Kurzem ihren Zwillingsbruder verloren hat. Er hat sich umgebracht, was Hannah, selbst Krisenpsychologin, nicht loslässt – sie kann es sich nicht erklären. In den dritten Fall ist der iranische Automechaniker Nima unmittelbar verwickelt, die ermordete Museumsangestellte war Kundin in seiner Oldtimer-Werkstatt und früher auch mal seine Geliebte. Doch was verbindet diese ganz unterschiedlichen Fälle?

Kristine Engberg erzählt jeweils im Wechsel aus der Perspektive der drei Hauptakteure, was es stellenweise langatmig werden lässt und schwierig zu folgen. Die Autorin lässt sich Zeit! Nur sehr langsam und durch das Einflechten von Kapiteln, die von der Situation der Juden in Dänemark während der Nazizeit erzählen, setzt sich das Puzzle nach und nach zusammen..Liv sticht mit ihren Ermittlungen offenbar in ein Wespennest, und es wird klar, dass ganz offensichtlich jemand  versucht zu verhindern, dass Geschehnisse aus der Vergangenheit ans Licht befördert werden.

Ich hatte bisher noch nichts von KatrineEngberg gelesen und fand, der Auftakt einer neuen Reihe – eben der um Liv Jensen – sei eine gute Gelegenheit. Die Figuren sind gut dargestellt, die Geschichte gut erzählt, auch wenn es eben manchmal schwierig ist, die einzelnen Erzählstränge zusammenzubringen. Letzten Endes haben alle Protagonisten eins gemeinsam: Flucht spielt in ihren Leben eine wesentliche Rolle. Damals wie heute. Die Exkurse in die neuere Geschichte bringen dem Leser nicht nur eben diese Zeit aus einer anderen Sicht nahe, sie sind letztlich auch wesentlich für das Verständnis des Erzählten.

Das Ende ist einigermaßen unerwartet, dennoch folgerichtig. Der Nervenkitzel kommt vielleicht ein bisschen zu kurz, eher ruhig erzählt. „Glutspur“ ist durchaus anspruchsvoll, wie die Sprache der Autorin. Skandinavisch kühl wie so viele dieser Krimis aus dem Norden, aber nicht langweilig. Vom Leser, der Leserin wird Konzentration und Mitdenken gefordert. Ein guter Auftakt einer neuen Reihe, auf die wir gespannt sein dürfen.

Katrine Engberg: Glutspur: Die Wurzeln des Schmerzes: Der erste Fall für Liv Jensen
Aus dem Dänischen übersetzt von Hanne Hammer
Piper, Oktober 2023
462 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Ertz.

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