Kate Williams: Never Coming Home

Es sollte ein Traumurlaub auf einer einsamen Insel in den Tropen werden. Ein Luxusurlaub der Extra-Klasse, der bereits im Vorfeld medial groß beworben worden ist. Jeder, der etwas auf sich hält und nicht älter als 20 Jahre alt ist, will und muss da hin. Kurz bevor diese besondere Insel im nirgendwo dann tatsächlich für die ersten Gäste freigegeben wird, erfahren zehn Auserwählte von ihrem „Glück“.

Jede, jeder von ihnen agiert in einem anderen Medienbereich und dies sehr erfolgreich. Zumindest scheint es so. Bei der Anreise bringen sie ihre Hoffnungen und Zweifel mit auf die Insel. Einige haben ein ungutes Bauchgefühl und andere konzentrieren sich nur auf ihren Account.

Kurz nach ihrer Ankunft in der feuchten Gluthitze stellen sie schockiert fest: Nichts ist so, wie es ihnen versprochen wurde. Statt Luxus und Personal finden sie nur eine ganz einfache Ausstattung mit Selbstverpflegung vor. Als die Erste von ihnen plötzlich stirbt, bekommen sie allmählich eine Ahnung, wie tödlich ihre Abgeschiedenheit ist. Nur mit dem Hubschrauber oder einem Boot kommen sie von dieser Insel weg, und nichts von allem ist vorhanden. Kein Netz, kein Ansprechpartner und keine Perspektive, ob und wann sie sich aus dieser gefährlichen Falle retten können.

Kate Williams schreibt Jugendbücher und Artikel für namhafte Zeitschriften. In einer gefängnisähnlichen Situation beginnt ihr böses Katz- und Mausspiel, bei dem sehr lange der wahre Todfeind im Verborgenen bleibt. Nach dem klassischen Muster „Wer war es“ baut die Autorin ihren kurzweiligen Thriller auf. Ihre zehn jungen, zum Teil minderjährigen Protagonisten müssen für ihr Überleben sehr schnell eine knifflige Aufgabe lösen: Wer ist der erschreckend gut informierte Mörder, und wer ist in der Lage, ein Vermögen für einen so perfiden Rachefeldzug auszugeben?

Die Charakterzeichnung der „Opfer“ konzentriert sich in erster Linie auf ihre jeweiligen Erfahrungen mit dem Geschäftsfeld Internet. Sie leiden alle unter dem Druck, stets für ihre Follower verfügbar zu sein. Irgendwann betrachten sie sich als Getriebene, die von ihrer Medienpräsenz abhängig sind und keine Perspektive für einen anderen Beruf haben.

Was passiert, wenn junge Internetstars Angst um ihr nacktes Leben haben, beschreibt Kate Williams sehr anschaulich. Wie kann man sich wehren, wenn der Gegner unbekannt ist und die Angst einen lähmt?

Bei der Lektüre hilft das vorangestellte Personenverzeichnis, den Überblick über die zehn Hauptfiguren zu behalten. Der spielerische Umgang mit dem klassischen Aufbau weckt Erwartungen, die in den Genres Krimi/Horror oder in kriminalistisch aufgebauten Spielen bedient werden. Schnell glaubt man, zu wissen, was geschehen wird. Doch dann sorgen unerwartete Wendungen für eine gruselige Stimmung, die zugleich auch Empathie für die eigentlich „armen“ Internetstars weckt. Unter dem Strich bietet Kate Williams viel Nervenkitzel vor einem digitalen Hintergrund.

Kate Williams: Never Coming Home
Aus dem Englischen übersetzt von Bettina Münch
Rotfuchs/ Rowohlt Taschenbuch, August 2023
368 Seiten, gebunden, 20,00 Euro

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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