Simon fragt Max, warum sie zusammengekommen seien.
„Weil du uns brauchst, Baby“ flüsterte sie. … „Und weil wir dich brauchen.“ (S. 222) Wofür sie ihn brauchen, findet Simon so nach und nach heraus. Es ist der Weg eines Verliebten in die Radikalisierung und Ernüchterung.
Der in Stockholm geborene Autor Joakim Zander hat sich bereits mit den drei Bänden „Der Schwimmer“, „Der Bruder“ und „Der Freund“ einen Namen gemacht. Die Reihe erschien in 30 Ländern. Die Verfilmung seines neuen Romans „Ein ehrliches Leben“ wird gerade vorbereitet und damit der nächste Schritt in seiner Karriere.
Das Thema seines Romans ist einerseits politisch, wenn es um die Verteilung des Wohlstands in einer Gesellschaft geht und andererseits die raffinierte Verführung eines jungen, schüchternen Mannes.
Den Prolog beginnt Joakim Zander mit einem Schachzug, in dem der Ich-Erzähler, ein schwedischer Autor, anlässlich einer Podiumsdiskussion in Hamburg interviewt wird. Ein kritischer Journalist wirft dem Autor vor, er rechtfertige in seinem Roman die unmoralischen Taten seines Ich-Erzählers, als würde er diese auch gutheißen.
Der Befragte erklärt, er sei ausschließlich an der Wahrheit interessiert. „Ist es unmoralisch, sich mit ungerechten Spielregeln nicht abfinden zu wollen?“ (S. 9) Und darüber hinaus: „Ein Mensch, der durch seine Herkunft oder der Klassenzugehörigkeit geschützt wird, empfindet die Gesellschaft nicht als gewalttätig. … Aus einer privilegierten Stellung heraus ist man sich seiner Teilhabe an Gewalt nicht bewusst.“ (S. 9)
„Ich erinnere mich nur an wenige Momente in meiner Jugend, in denen ich mich nicht gelangweilt habe.“ (S. 7 /15) Sowohl Prolog als auch das erste Kapitel beginnen mit den gleichen Worten und schließen damit die inhaltliche Klammer zwischen dem interviewten Autoren und dem Ich-Erzähler Simon.
Die ständig empfundene Langeweile mag unter anderen an Simons Haltung liegen, denn er wollte immer alles richtig machen. Und dann kam der Moment, in dem der Junge Simon so wütend wurde, dass er sich für einige Sekunden völlig vergaß. Nun weiß er, wie es sich anfühlt, die Maske fallen zu lassen. Hinter der Maske des fleißigen Schülers erstarrt Simons Dasein. Es findet ohne ihn statt, bis ihn das Leben in Gestalt der engagierten Max einholt.
Als Simon in Lund ankommt, glaubt er noch, ihm stünde die Welt offen. Die Genügsamkeit der Eltern hat er hinter sich lassen. Er will erfolgreich sein und viel Geld verdienen. Doch bereits bei seiner Ankunft stößt er auf gläserne Wände. Die Mitbewohner der Studenten-WG stammen aus reichen Familien und wollen ihn nur in der dienenden Rolle bei Partys dabei haben und danach als Haushaltshilfe.
Als Simon auf einer Demonstration Max, eine junge Aktivistin, kennenlernt, ist er für Veränderungen offen und unkritisch. Er ist viel zu sehr in sie verliebt, um sich ihrer Führung zu widersetzen. Simon stürzt mit offenen Augen in ein abenteuerliches Leben und in einen vorbereiteten Abgrund.
Der Weg dorthin wird ausführlich erzählt. Jeder soll Simons Verführung verstehen und wie verletzend die Liebe sein kann. Schnell kann man die Intrigen und Fallen überlesen oder die Lücken in den Argumentationsketten der „neuen Freunde“ ignorieren. Doch als Simon eine Grenze überschreitet, dürfte es jedem klar sein. Dies ist keine Liebes- oder Erweckungsgeschichte. Es geht um die Frage, will der Student Simon fremde Grenzen akzeptieren oder wenn nicht, zu welchem Preis.
Joakim Zander: Ein ehrliches Leben
Aus dem Schwedischen übersetzt von Ulla Ackermann, Thomas Altefrohne
Rowohlt Taschenbuch, Juli 2024
432 Seiten, Taschenbuch, 18,00 Euro
Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.