Helon Habila: Öl auf Wasser

Vor zwei Wochen starben zwei Journalisten, als sie der Einladung einer Rebellen-Gruppe folgten, die für einen Italiener Lösegeld verlangen. Geplant war ein Interview mit der Geisel.

Jetzt ist eine Britin verschwunden. Und wieder bieten anonyme Rebellen ein Interview an. Dieses Mal will niemand diesem Ruf folgen, bis sich aus den unterschiedlichsten Gründen so nach und nach eine Handvoll Freiwillige einfinden. Zwei von ihnen sind der junge Journalist Rufus und sein Idol, der einst berühmte Zaq.

Viel zu früh bricht der Funkkontakt mit den Rebellen ab. Rufus wird Zeuge, wie ihre Fahrt auf dem Boot von Port Harcourt nach Süden zu einer Irrfahrt wird. Und während sie Ausschau halten, glauben sie, auf einer Insel ein Signalfeuer zu sehen. Doch statt der Rebellen finden sie ein verlassenes Dorf und ein paar Tote. Alle Spuren weisen auf einen bewaffneten Angriff. Und während sie noch überlegen, wer wen angegriffen haben könnte, werden sie von Rebellen überfallen und verlieren ihr Boot. Keiner glaubt ihren Versprechungen, dass sie abgeholt werden. Rufus sieht sich auf der einsamen Insel ohne Handyempfang und Proviant gefangen.

Doch in der Nacht rudert ein alter Fischer mit seinem Sohn an den Strand. Er bringt sie zum nächstgelegenen Fährhafen. Für die Journalisten gibt es nur noch eines: weg von dem Chaos. Nur Zaq will bleiben und weitersuchen. Dieser wittert eine besondere Story. Und weil Zaq bleibt, bleibt auch Rufus, ohne zu ahnen, wie gefährlich die Suche noch wird.

Helon Habilas wurde 1967 in Nigeria geboren und lebt heute in den USA. Sein Kriminalroman wurde mit dem deutschen Krimipreis ausgezeichnet und ist zugleich auch ein politischer Roman. Er erzählt über bestimmte Ereignisse, bei denen der Tod von Mensch und Natur einem zwangsläufigen und logischen Prozess folgt. Öl schwimmt auf dem Wasser, und Geld fließt nach oben. Die einen bekommen alles, die anderen bleiben auf der Strecke. Darwins Gesetz der natürlichen Auslese kennt keine Moral, keine Menschlichkeit und auch keine Güte. Selbst Gerechtigkeit spielt keine Rolle.

Öl schwimmt auf dem Wasser. Es hat eine andere Dichte und kann nicht anders. Wer ein korruptes System und die systematische Ausbeutung eines Landes beschreibt, begibt sich in Gefahr. Es dürfte kein Zufall sein, wenn Helon Habilas seinen Journalisten Rufus in Port Harcourt leben und arbeiten lässt, nachdem seine Heimat von den Ölgesellschaften zerstört und unbewohnbar gemacht wurde. Am gleichen Ort wurde am 10. November 1995 der Aktivist und Schriftsteller Ken Saro-Wiwa hingerichtet. Wie viele andere vor und nach ihm schrieb er gegen das Unrecht an und kämpfte für das Recht auf Information und Bildung.

Der Autor schreibt aus der Perspektive des jungen Journalisten Rufus. Dieser wird von seinem weitblickenden Vater, einem ehemaligen Lehrer, nach Port Harcourt geschickt, um das Handwerk des Fotografen zu erlernen. Rufus wird ausgebeutet und hält aus. Jede andere Option stünde für das Ende einer Sackgasse. Er will überleben. Und weil doppelt besser hält, beantragt er ein Stipendium für die Ausbildung zum Journalisten. Ein Fotograf hat gelernt hinzusehen, und ein guter Journalist übt sich in Geduld, bis er auf die Geschichte seines Lebens stößt.

Wunderbar übersetzt von Thomas Brückner und auf hohem sprachlichen Niveau, öffnet der Roman eine Tür in das geschundene Land Nigeria. Sachliche Informationen in eine kurzweilige Unterhaltung zu verpacken ist eine Kunst. Dabei den Leser zu berühren eine noch viel größere.

Helon Haliba: Öl auf Wasser.
Unionsverlag, Januar 2019.
256 Seiten, Taschenbuch, 12,95 Euro.

Diese Rezension wurde verfasst von Sabine Bovenkerk-Müller.

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