Direkt auf den ersten Seiten hat mich die gleiche erfrischende Neugier gepackt, die mich durch Träume treibt: keine Panik, nicht wegrennen, sondern mit Anlauf hineinstürzen. Es geht um Esso, einem schwarzen Teenager in Londons Süden, der nicht nur in einen Bandenkrieg stolpert, sondern ein Autounfall ihm auch noch plötzlich Visionen von einer Welt zwischen Vergangenheit und Zukunft beschert.
„Meine Kollegen behaupten, dass ich Wissenschaft mit Voodoo vermische, aber ich glaube, dass jeder von uns Verborgene Energie spüren kann. Sie umgibt uns, fließt an uns vorbei, durch uns hindurch.“ (Seite 326)
Man spürt, dass in dem Buch persönliche Erfahrungen des Autors eine tragende Rolle spielen, dennoch konnten mich die wissenschaftlichen Erklärungen nicht gänzlich packen. Ich bin hin- und hergerissen. Die anregend-geistreiche Grundidee und der rhythmisch-bemerkenswerte Schreibstil wird leider durch eine nicht immer nachvollziehbare Storyline, blassen Charakteren und gefühlt seitenweise Physiktheorien ausgebremst.
Wie der Autor selbst sagt, benötigt die mathematische, unsichtbare Welt der Physik Metaphern, um das Abstrakte zu beschreiben, damit wir es verstehen. Tatsächlich verleiht Femi Fadugba nicht nur der Quantenphysik oder Zeitreisen eine realistische Darstellung, sondern auch der Jugendkultur, die er dank authentischer Gedanken, Empfindungen und nicht zuletzt dem typischen Slang greifbar gestaltet. Dennoch haben mich die Protagonisten Esso und Rhia nicht wirklich berührt, ich konnte keine Verbindung zu ihnen aufbauen.
„Wann immer sich dein Wissenshorizont erweitert, erweitert sich auch die Mauer aus Unwissen, die ihn umgibt.“ (Seite 399)
Leser, die grundsätzlich schon von Atomen, Energie, Relativität und Co. fasziniert sind, werden das Buch lieben. Allen anderen ist meiner Meinung nach ebenso ein interessantes Leservergnügen bei dieser nerdy Coming-of-Age-Zeitreisen-Story vergönnt.
Der letzte Funke ist bei mir nicht ganz übergesprungen, da es mich persönlich nicht komplett abholen konnte. Doch auch ohne sensationellen Wow-Effekt ist dieser Jugendroman lesenswert und bekommt von mir wohlwollende vier Sterne.
Femi Fabugba: The Upper World – Ein Hauch Zukunft.
Aus dem Englischen übersetzt von Alexandra Ernst.
cbj, September 2021.
416 Seiten, Gebundene Ausgabe, 20,00 Euro.
Diese Rezension wurde verfasst von Olivia Grove.