Daniel Mason: Oben in den Wäldern

Wuchtiger Roman über die Jahrhunderte währende Geschichte eines Hauses

Fragen, die sich sicher jeder schon mal irgendwann gestellt hat, der in ein älteres Haus einzieht: Wer hat vor mir hier gewohnt? Welche Geschichten hätte dieses Haus zu erzählen?

Genau diese Geschichten erzählt der mehrfach ausgezeichnete Daniel Mason in seinem neuen Roman. Wie auch in seinen verdientermaßen hochgelobten vorigen Romanen verwendet er diese wuchtige Sprache, die Bilder erschafft, schärfer als jede Kamera. Und besonders geschickt passt er seine Sprache der jeweiligen Zeit an, in der seine Geschichte gerade spielt.

Es beginnt früh, als das besagte Haus nicht viel mehr als eine Hütte ist, in die dann der ehemalige Soldat und spätere Apfelbauer Osgood einzieht, später seine Töchter nachholt. Mason lässt viel Raum im Roman für diesen Abschnitt seiner Erzählungen, nachdem die ersten Teile, als ein verfolgtes Pärchen in dieser Hütte Unterschlupf findet und weitere Verfolgte sich später dort verbergen, relativ zügig erzählt werden.

Osgood erschafft eine Apfelplantage, hat viel Erfolg mit seinem Obst, doch wirklich glücklich wird die Familie hier nicht. Nach seinem Tod bleiben die Zwillingsschwestern Alice und Mary im Haus zurück, führen die Plantage weiter. Die beiden Schwestern sind gleichzeitig unzertrennlich und unvereinbar, bei aller äußerlichen Ähnlichkeit sind sie im Charakter verschieden. Einem Mann geben sie in ihrem Leben keinen Platz, was schließlich zur Katastrophe führt.

Danach geht es weiter mit dem Haus und seiner Geschichte, Schriftsteller, Maler, Männer und Frauen finden sich ein, über die Jahrhunderte bis ins Heute und Jetzt. Die Menschen verbindet die enge Beziehung zu diesem Haus, das sich verändert, um- und angebaut wird und dennoch bleibt es dasselbe.

Eine ungemein interessante Erzählweise, die Geschichte eines Landes anhand eines Hauses darzustellen. Mason lässt sich viel Zeit für dieses Erzählen, manches ist fast zu langatmig, zu ausführlich, anderes wird in großen Sprüngen berichtet. Doch immer gibt es eine Verbindung zwischen den Geschichten, zwischen den Menschen, die im Laufe der Jahrhunderte in diesem Haus leben und auch sterben.

Dabei ist es vor allem Masons Sprache, die dieses Buch so gewaltig macht. Wenn er die Umgebung beschreibt, die kleine Stadt, die Wälder, das Innere des Hauses, dann findet er dafür Worte, die alles greifbar, vorstellbar machen. Das geht dann manchmal zulasten der Handlung, nehmen diese Beschreibungen viel mehr Raum ein als Ereignisse und Erlebnisse.

Ein Roman, den man nicht schnell durchliest, der auch keine Spannung, keine Höhepunkte, kein wirkliches Ende bietet, der aber aufgrund seiner Wucht und Wirkung im Gedächtnis bleibt.

Daniel Mason – Oben in den Wäldern
aus dem Englischen von Cornelius Hartz
C.H. Beck, Februar 2024
Gebundene Ausgabe, 429 Seiten, 26,00 €

Diese Rezension wurde verfasst von Renate Müller.

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