Andreas Schäfer: Das Gartenzimmer

1908 in Berlin: Das Ehepaar Rosen möchte in einer neuen Villenkolonie in Dahlem ein Landhaus bauen und sucht dafür einen jungen Architekten. Das trifft sich gut, denn Max Taubert, ein junger Schreiner und Architekt, brennt darauf, sein erstes Haus zu entwerfen. Schon als Kind hatte er sich mit Gebäuden und Perspektiven beschäftigt. Später wird er weltweit bekannt werden. Die Rosens haben kaum eine Vorstellung davon, wie das Haus aussehen soll. Max ist begeistert: Er kann seine Ideen umsetzen und das macht er so gut, dass die Villa berühmt wird. Doch anfangs ist er immer wieder verunsichert. Werden die Auftraggeber mit seinem Werk zufrieden sein?

Der Autor Andreas Schäfer begleitet das Haus, seine Bewohnerinnen und Bewohner durch seine wechselvolle Geschichte. Die Leserinnen und Leser lernen Elsa und Adam Rosen kennen. Erfahren von einem Schicksalsschlag, der sie getroffen hat, und wie sie sich mit Max Taubert und seiner Familie anfreunden. Aber Max ist kein einfacher Charakter. Er ist zerrissen zwischen seinen Ansprüchen und der Wirklichkeit. Aufträge bleiben aus, der erste Weltkrieg wirft ihn aus der Bahn.

In den 1990er-Jahren entdecken Hannah und Frieder Lekebusch die leerstehende, heruntergekommene Villa und stecken viel Geld in die Renovierung. Bald erstrahlt das unter Denkmalschutz stehende Haus in altem Glanz. Besonders Hannah setzt alles daran, das Haus ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Sie organisiert Empfänge und Führungen und sorgt dafür, dass über die Villa berichtet wird. Ihrem Mann Frieder und ihrem Sohn Luis wird das nach und nach zu viel. Auch, weil das Haus bei aller baulichen Finesse und trotz der lichtdurchfluteten Räume eine ganz eigene, manchmal bedrohlich wirkende Atmosphäre verbreitet. Weiterlesen

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Devid Striesow & Axel Ranisch: Klassik drastisch – Lippenbekenntnisse zweier Musik-Nerds

Devid Striesow ist als Schauspieler in Deutschland ein bekanntes Gesicht mit einer beeindruckenden Fülle von Auftritten im Theater, in Film und Fernsehen. Wie gut er seine Sache macht, belegen auch seine zahlreichen Auszeichnungen. Nicht ganz so bekannt ist, dass er mit der klassischen Musik eng verbunden ist. Das hat er mit Axel Ranisch gemeinsam, der ebenfalls (vielfach ausgezeichnet) als Schauspieler, aber auch als Regisseur, Autor und Opernschreiber sein Brot verdient. Für mich ist er das Highlight in der Krimi-Fernsehreihe „Zorn“ (als Schröder) und auch als Regisseur und Drehbuchschreiber von „Ich fühl mich Disco“ hat er mich schwer beeindruck.

Nun haben die beiden mit „Klassik drastisch – Lippenbekenntnisse zweier Musik-Nerds“ ein Buch über klassische Musik geschrieben, in dem sie darüber berichten, wie sich ihre Leidenschaft entwickelt hat und was diese Musik für sie bedeutet. Übrigens sind sie mit einer gleichnamigen Reihe auch in „Deutschlandfunk Kultur“ zu hören, die zum Teil in dieses Buch eingeflossen ist.

Los geht es mit einem Bekenntnis von Axel Ranisch: „Ich bin ein Klassik-Nerd. Ich habe nicht ein Konzert-Abo, sondern zwei. Ich besitze nicht 100, sondern 1472 CDs (und noch mal 1148 Schallplatten).“ (Seite 7)

Höchst unterhaltsam und charmant erzählt er, wie es dazu gekommen ist, obwohl er in seiner Familie eher von Sportlern als von Musikern umgeben war. So richtig angefangen hat es mit einer Stereoanlage, die sein Vater (mitsamt einer Sammlung von 20 Doppel-CDs mit klassischer Musik) in der Tschechoslowakei gekauft hat und die seine Mutter nicht haben wollte. Dann kam eins zum anderen. Weiterlesen

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Leonie Swann: Mord in Sunset Hall

Lillith hat gemeinsam mit Agnes (der das Haus gehört), dem Marschall, Winston, Bernadette, Edwina und der Schildkröte Hettie in der Senioren-WG in Sunset Hall gelebt. Jetzt liegt sie tot im Gartenschuppen. Und als ob das nicht schon aufregend genug wäre, klingelt erst ein Jungspund, der Agnes das neue Seniorenzentrum Lindenhof schmackhaft machen möchte, dann schneit die Polizei herein und zuletzt kommt noch die neue Mitbewohnerin Charlie mit ihrem riesigen Hund Brexit und einer ganzen Menge Gepäck.

Die Polizisten möchten die alten Leute eigentlich nur vor einem Verbrecher warnen, dem im (ein Stück entfernten) Nachbarhaus Mildred Puck zum Opfer gefallen ist. Aber da sie nun schon da sind, erzählt Agnes ihnen auch gleich von der toten Lillith. Außerdem ist sie geschockt. Mildred war eine Jugendfreundin, mit der sie allerdings schon lange nichts mehr zu tun hatte. Zum einen war Mildred nach einem Schlaganfall bereits seit einigen Jahren ein schwerer Pflegefall, zum anderen war sie schon vorher nicht mehr auf Agnes‘ Wellenlänge gewesen.

Auch Lilliths Tochter macht Stress. Sie möchte unbedingt wissen, was genau passiert ist. Aber die Vereinbarungen innerhalb der WG sind so speziell, dass man sie Fremden auf keinen Fall auf die Nase binden möchte. Außerdem sind sich die Bewohnerinnen und Bewohner selbst nicht ganz sicher, was geschehen ist. Es gibt nämlich immer mal wieder Ausfälle im Gedächtnis oder beim Hören (wenn bei Agnes der hohe Ton im Ohr alles andere übertönt). Zum Beispiel weiß der Marschall am Anfang nicht mehr, wo er seine Pistole hingelegt hat. Weiterlesen

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Jörg Scheller: Metalmorphosen: Die unwahrscheinlichen Wandlungen des Heavy Metal

Die Beschreibung dieses Buches hat mich neugierig gemacht. Liberalismus, Religion, Gender, Stricken, Psychotherapie, Kosmetik – und das alles in Verbindung mit Heavy Metal. Wie kann das funktionieren? Jetzt weiß ich: Es funktioniert großartig. Jörg Scheller, Professor für Kunstgeschichte an der Zürcher Hochschule der Künste, in dessen Leben der Metal schon seit langer Zeit eine große Rolle spielt, verknüpft Bereiche miteinander, die auf den ersten Blick nichts oder wenig gemeinsam haben.

Er nähert sich dem Thema zunächst nicht nur von der musikalischen Seite an, sondern geht auch auf die Ästhetik und die Texte ein. Denn: „Erst durch das mal unisone, mal kontrapunktische Zusammenspiel von Musik und visuellen sowie verbalen Elementen wird Metal zu einem eigenständigen Genre.“ (Intro. Happy Metal? Seite 21)

Er geht auf die prägenden Stilelemente ein, grenzt den Metal aber auch ab, beispielsweise gegenüber dem Hard Rock oder dem Punk. Historisch hat sich der Metal permanent weiterentwickelt und tut es noch. So sind die verschiedensten Subgenres entstanden, die alle „zur Familie“ gehören. Beeindruckt hat mich hier vor allem die Integrationskraft des Metal, bei dem es meist kein „Nebeneinander“ von Stilen oder Elementen (auch aus anderen Genres) gibt, sondern eine gegenseitige Durchdringung, bei der Neues geschaffen wird. Weiterlesen

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Kathrin Passig, Aleks Scholz: Handbuch für Zeitreisende

Wer hat nicht schon davon geträumt, den Urknall zu bestaunen, einem berühmten Wissenschaftler über die Schulter zu schauen oder auf einer Maya-Party die neu erfundene Schokolade zu schlürfen? Eine Zeitreise macht das jetzt möglich. Jedenfalls ist das eine der Annahmen, die Kathrin Passig und Aleks Scholz für ihr Buch getroffen haben. Sie sind ihrer Zeit eben etwas voraus. Wenn Sie das Buch aber jetzt schon lesen und nicht warten wollen, bis Sie durch eine Transitzone in eine Parallelwelt rauschen können, macht das mindestens genauso viel Spaß wie eine echte Reise – und ist viel ungefährlicher. Und wenn es dann soweit ist, sind Sie bestens vorbereitet.

„Von den Dinosauriern bis zum Fall der Mauer“ lautet der Untertitel des Handbuchs und das ist noch lange nicht alles. Im Kapitel „Eine kurze Geschichte der Zeitreise“ erfahren die Leser*innen zunächst – auch für Nicht-Fachleute wie mich verständlich – die physikalischen Hintergründe des Phänomens. Dann geht es auch schon an die konkreten Reisetipps.

Mal werden ganz bestimmte Ereignisse empfohlen, wie die Weltausstellungen im 19. Jahrhundert, wo nicht nur technische Neuerungen, sondern auch „exotische“ Menschen ausgestellt wurden. Mal umfasst die potenzielle Reisezeit mehrere Millionen Jahre, wie bei einem Besuch der Dinosaurier. Auch über (nicht mehr bestehende) Kulturen, die bei uns eher unbekannt sind, erfährt man so einiges. Weiterlesen

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Agnete Friis: Der Sommer mit Ellen

Jakobs Leben ist gerade kompliziert. Er hatte ein Verhältnis mit Janne, einer jungen Mitarbeiterin seines Architekturbüros, die nun nichts mehr von ihm wissen möchte. Seine Frau Kirsten hat sich von ihm getrennt, seine Kinder sind erwachsen und wollen kaum noch etwas von ihm wissen und auch sein Firmenpartner Bjarne möchte ihn im Büro nicht mehr sehen. Viel Alkohol und wenig Perspektiven stürzen ihn in eine Krise.

Als sein Großonkel Anton anruft und ihn um Hilfe bittet, zögert Jakob zunächst. Er soll Ellen suchen, die Frau, in die er als Jugendlicher im Sommer 1978 verliebt war und die plötzlich verschwand. Die Vorkommnisse von damals hat Jakob erfolgreich verdrängt, doch sie schwelen in ihm weiter. Seitdem er sein Heimatdorf verlassen hat, um zu studieren, ist er kaum jemals dort gewesen. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, zurückzukehren und zurückzuschauen. Er bricht auf nach Ostjütland, wo Anton und sein Bruder Anders – beide um die 90 – immer noch auf demselben Hof wohnen wie früher. Jakobs Erinnerungen lassen sich nicht mehr unterdrücken.

Alles hatte damals mit Lises Verschwinden begonnen. Die Schwester von Jakobs Freund Sten war von Zuhause weggelaufen, hieß es. Die Geschwister waren in einen dauernden Kleinkrieg verstrickt. Sten wollte nicht, dass Lise mit Männern herummachte, Lise wollte sich nicht mehr gängeln lassen. Doch dass sie sich nun gar nicht mehr meldete, war doch sehr erstaunlich. Weiterlesen

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Yrsa Daley-Ward: In den Knochen: Gedichte

Über 70 „poetische Fragmente“ versammelt Yrsa Daley-Ward in ihrem Gedichtband „In den Knochen“. Jedes ganz eigen und doch mit einem inneren Zusammenhalt. Sie erzählt von Liebe und Verlassenwerden, von Familie und Gewalt, von Niederlagen und Stärke. Ob es nur ein paar Zeilen sind oder die Texte über mehrere Seiten gehen: Yrsa Daley-Ward formuliert auf den Punkt und trifft ins Herz. Viele Frauen werden sich, ihre Gedanken und Handlungen darin wiederfinden, doch die Beobachtungsgabe der Autorin macht auch vor Männern nicht halt. Vor allem, wenn es um Beziehungen geht, findet sie Worte, die die Augen öffnen.

Oft erzählt sie kleine Geschichten aus dem Alltag, die exemplarisch stehen für die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern, in den Familien oder in der Gesellschaft. Das ist an sich einfach zu lesen, hat aber Widerhaken, an denen das Fühlen und Denken hängen bleibt und die einen weiter beschäftigen.

In ihrem Gedicht „Eine hohe Kunst“ heißt es:

„Vielleicht hast du es von deiner Mutter gelernt
oder einer anderen gejagten Frau.
Teufel anzulächeln ist ein nützliches
Vermögen.“ Weiterlesen

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Kate Kirkpatrick: Simone de Beauvoir: Ein modernes Leben

Als Simone de Beauvoir 1908 in eine großbürgerliche französische Familie hineingeboren wurde, ahnte wohl niemand, was sie im Laufe ihres Lebens bewegen und verändern würde. Die promovierte Philosophin Kate Kirkpatrick beginnt ganz am Anfang und nimmt uns mit in eine Zeit vor über hundert Jahren. Sie erzählt von der kleinen Simone, die am liebsten draußen gespielt hat, aber sehr bald auch – gefördert von Mutter und Vater – das Lesen entdeckte, vom finanziellen Abstieg der Familie, von Freundschaften und erster Liebe. Sie beschreibt ihren Eigensinn, ihre Durchsetzungskraft, aber auch ihre Zweifel und ihre Niederlagen auf dem Weg zu einer der einflussreichsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts.

„Beauvoir war eine herausragende Gestalt: Viele ihrer Leistungen waren beispiellos und bahnten den Weg für künftige Frauen“, schreibt die Autorin in der Einleitung. Doch nicht nur in Bezug auf die Befreiung der Frauen von gesellschaftlichen Zwängen hat Simone de Beauvoir Großartiges geleistet. Mit philosophischen und politischen Essays, Reiseberichten, Romanen, journalistischen Arbeiten, Sachbüchern und Autobiografien hat sie ein reichhaltiges Werk hinterlassen, das nachwirkt.

In den letzten Jahren wurden weitere Briefe und Tagebücher von Simone de Beauvoir veröffentlicht, die Kate Kirkpatrick mit den bekannten Dokumenten und der öffentlichen Wahrnehmung von Beauvoir in Beziehung setzt. Weiterlesen

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Cora Stephan: Margos Töchter

Über neun Jahre ist es her, dass Jana Seliger einen Antrag auf Einsicht in die Unterlagen gestellt hat, die das Ministeriums für Staatssicherheit über ihre Mutter gesammelt hat. Nun, im Jahr 2011, kommt der Bescheid, dass die Akten einen Vorgang zu Leonore Seliger enthalten. Will sie jetzt überhaupt noch wissen, was darin steht? Würde sie erfahren, was im Mai 1991 geschehen war, als ihre Adoptivmutter Leonore ums Leben kam? Nie hatte sich Jana damit abgefunden, dass es Selbstmord gewesen sein sollte. Dass sie vielleicht schon von der zweiten Mutter freiwillig im Stich gelassen wurde. Janas Mann rät ihr, die Vergangenheit ruhen zu lassen, doch sie beschließt, nach Berlin zu fahren, um sich Klarheit zu verschaffen.

Was Jana in den Unterlagen findet, erfahren die Leserinnen und Leser erst eine ganze Weile später. Zunächst nimmt sie die Autorin Cora Stephan mit ins Jahr 1964, in die Jugend von Leonore. Sie erzählt vom (ziemlich gestörten) Verhältnis zwischen Leonore und ihrer Mutter Margo. Nie scheint Leonore ihr gut genug zu sein, eigentlich interessiert sie sich nicht besonders für ihre Tochter. Margos Arbeit steht immer an erster Stelle. Sie ist stolz darauf, was sie erreicht hat. Ihr Mann Henry kann sich die Zeit als Richter so einteilen, dass er daheim ist, um für die Tochter zu kochen, doch er trinkt häufig einen über den Durst und seine Stimmung kann unberechenbar schwanken. Weiterlesen

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Helena Janeczek: Das Mädchen mit der Leica

Wer war Gerda Taro? – Der Rahmen ihres Lebens ist kein Geheimnis: Geboren 1910 in Stuttgart als Gerta Porohylle, Tochter eines jüdischen Kaufmanns, gestorben 1937 in Spanien, überrollt von einem Panzer im Bürgerkrieg. Dazwischen ein intensives Leben. Nach dem Umzug der Familie nach Leipzig 1929 schloss sie sich dort einer linken Gruppe an und beteiligte sich am Widerstand gegen die Nationalsozialisten. 1933 ging sie nach Paris ins Exil, schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch und lernte den Ungarn André Friedmann kennen. Von ihm, dem späteren Starfotografen, lernte sie zu fotografieren, bald wurde sie seine Lebensgefährtin. Gemeinsam erfanden sie sich neu als Robert Capa und Gerda Taro und zogen in den Spanischen Bürgerkrieg, um der Welt mit ihren Fotos davon zu erzählen. Sie wurde die erste Kriegsfotografin, die von der Front berichtete.

Bei Gerda Taros Beerdigung bildeten tausende, auch prominente Menschen den Trauerzug. Doch dann wurde sie schnell vergessen. Erst in den letzten Jahren wurden sie und ihre Arbeit wieder entdeckt. Ihrer beeindruckenden Persönlichkeit, ihrer Begabung und ihrer Lebensgeschichte nähert sich die Autorin Helena Janeczek in ihrem Roman „Das Mädchen mit der Leica“ über die Erinnerungen von drei Freunden aus ihrer Leipziger Zeit, mit denen sie auch in Paris noch Kontakt hatte: Willy Chardack, Ruth Cerf und Georg Kuritzkes. Jede dieser Personen steht im Mittelpunkt eines Teils des Buches. Weiterlesen

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